Etappenwanderung Schmilka - Schneekoppe Adrspach 2005

Erlebt und aufgeschrieben von Zwinki (zwinki2 @ gmx . de)

@(#) Sep 18 2005, 21:53:54

Eigentlich sollte es 2005 in die Dolomiten gehen, Klettersteige in der Pala-Gruppe. Angesichts der unklaren Lage nach dem Hochwasser wussten wir nicht so recht, ob wir mit dem Zug glatt bis nach Italien kommen (und was in der Folge noch geschehen mag). Das Risiko war uns zu hoch, und so disponierten wir kurzzeitig um: Eine Etappenwanderung von Schmilka (in der Sächsischen Schweiz) durch Tschechien längs des EB-Weges (heute E3) bis zum Riesengebirge, inklusive Schneekoppe, und dann weiter in die berühmte Felsenstadt von Adrspach. Es versprach sportlich zu werden; wir versuchten, die Etappenlänge auf 20km zu begrenzen (vorsichtshalber führten wir Biwakausrüstung mit). Das ging nicht auf. In Adrspach waren es nach 10 Tagen 272km und 9000 Höhenmeter, viel mehr als gedacht, und am Ende sogar 327km und 11400Hm.

Der Urlaub war trotzdem einfach toll, auch wenn meine Füße definitiv anderer Meinung waren. Das Wetter war noch toller, zu toll: Kein Tropfen Regen, nur Sonne und Hitze, Tag für Tag. Mit etwas Regen wäre Manches leichter gefallen.

Wir - das sind übrigend D1, D2 und ich. Die Abkürzungen haben sich eingebürgert, weil beide "Diddi" gerufen werden und man Menschen irgendwie unterscheiden muss. Beides Kletterer und alpin Erfahrene. Diesmal ging es mehr um Härte. Bei D1 staunte ich allerdings, dass er überhaupt mitmachte. Doch er hielt sich ganz gut, bis - siehe unten.

1. Etappe (28.8.): Schmilka/Hrensko - Jetrichovice (Dittersbach)

26km, 850Hm, 7 1/2 Stunden brutto.

Mit der S-Bahn ging es bis Schmilka. Theoretisch hätte man von Dresden aus laufen können, aber lieber Bekanntes einsparen und dafür etwas Neues an das Ende anhängen. Das war die richtige Entscheidung!

Hinter der Grenze in Hrensko tauschten wir 200-300 Euro in Kronen um und zogen los (der Kurs war knapp 1:30, wir löhnten 1:27).

Der Weg ist Insidern gut bekannt und "technisch schwierig": Es geht viel auf und ab, Leitern, Wurzeln usw. - und er ist sehr schön. Der Teil Mezni Louka (Rainwiese) - Jetrichovice ist mit dem ersten Teil (dem Gabrielensteig am Prebischtor vorbei) nicht zu vergleichen, er ist wesentlich anspruchsvoller. Erst vor 3 Wochen waren D2 und ich die Tour in umgekehrter Richtung gelaufen (von Hrensko fährt 10.00 ein Bus nach Jetrichovice), bei sehr fotogenem Wetter. So blieb Platz für Neues auf dem Kamerachip.

Zwei Burgen ließen wir diesmal aus, nur auf den dritten Aussichtspunkt, den Marienfelsen, stiegen wir noch hoch. Auch das war eine weise Entscheidung, ohne dass wir es wissen konnten: In der Nacht vom 9. zum 10.9., also der letzten Urlaubsnacht, brannte diese Holzhütte wegen eines Lagerfeuers nieder. Die Feuerwehr musste mit Schläuchen mindestens 200Hm überwinden, es war eine Katastrophe mitten im Nationalpark. Der Marienfelsen ist ein sehr beliebter und stark besuchter Aussichtspunkt.

Wir kamen im Schweizerhaus unter, und mein positiver Eindruck von früher bestätigte sich: Gutes Essen, ordentliche Unterkunft (allerdings mit 500 Kronen relativ teuer - Grenznähe!). Bei einem Abendspaziergang zeigte sich, wie viel man im Ort inzwischen getan hatte: Viele schmucke Häuser, natürlich Unmassen Quartiere und auch viele Gaststätten. Das sah noch vor 3 Jahren wesentlich trüber aus.

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2. Etappe (29.8.): Jetrichovice - Studenec - Jedlova (Tannenberg)

26km, 1040Hm, 7 1/4 Stunden brutto.

Es war noch wärmer als am Vortag. Das Tal Pavlinov udoli war ich vorher nur einmal in der Dämmerung gelaufen; im Morgenlicht war es wunderschön.

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Ein langer und abwechslungsreicher Anstieg auf den Studenec (Kaltenberg) folgte; weiter oben konnte ich eine Aufnahme von einem Geröllfeld endlich einmal bei gutem Wetter machen:

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Oben gibt es nur einen total verrosteten Aussichtsturm. D1 und D2 stiegen hoch; ich nicht, denn ich wusste, wie das Eisen am Fundament aussah. Der Studenec lohnt einen Ausflug aber in jedem Fall, bei jedem Wetter.

Nachdem der blaue Weg unten abzweigte, begann auch für mich Neuland. Unser Weg zog sich durch lange, tiefer Wälder, angenehm bei dieser Hitze (unsere Rucksäcke wogen mindestens 15kg, weniger ist bei 14 Tagen Urlaub unrealistisch - Biwakzeug war ja auch dabei). Ein altes Holzhaus an einer Straße sollte zum "Kriegsmuseum" umgerüstet werden - in der Nähe fanden sich zahlreiche Bunker aus dem zweiten Weltkrieg, die allerdings wegen des Münchner Abkommens nie genutzt wurden. Hauptsache aber: Imbiss war angekündigt. Doch so eilig hatte es der Besitzer nicht, er gab nur Flaschenbier heraus, und das Museum wird irgendwann fertig. Diverse Tiere verkrochen sich im Schatten (Ziege, Enten, Katze ...) - uns blieb ein sonniger Sitzplatz. So trank D1 sein Bier. D2 und ich konnten darauf verzichten. Die Folgen zeigten sich dann nach dem 4. Tag ;-)

22km sollten es bis zum Jedlova sein, allerdings mit dem Zusatz "ZST". Es zog sich und wurde immer wärmer. Im wesentlichen liefen wir Forstwege und sahen keine Menschenseele. Teile der ausgedehnten Wälder kannte ich schon von Radtouren her, die allerdings quer zu unserer Richtung verliefen. Am Ende wurde klar, was "ZST" bedeutet: Das heißt Bahnstation (obwohl Bahnhof mit "nadrazi" übersetzt wird). So hieß es weitere km laufen, zum Schluss auf einer extrem steilen Straße hoch zum Gipfel des Jedlova. Preisfrage: Ob man dort übernachten kann? Tschechen auf dem Weg meinten: Wahrscheinlich ja.

Und man konnte. Das angenehmste Quartier, preiswert (320 Kronen mit Frühstück), prima Essen, alles sehr nett - und vor allem gibt es einen Aussichtsturm mit der vielleicht bergreichsten Aussicht Nordböhmens. Wir waren abends und früh dreimal oben. Ein Traum!

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Beim Ausmessen und Planen der nächsten Etappe begann die Karte plötzlich zu wandern. Ein noch sehr junger, tolpatschiger Hund hatte eine herunterhängende Ecke als Spielzeug entdeckt. Das musste ich ihm zwar wegnehmen, aber mein Hosenbein eignete sich ebenso gut zum Festbeißen. Als das auch weg war, musste der Schwanz des älteren Hundes herhalten. Nach dreimaligem Zerren wurde es diesem aber zuviel, und er bellte wütend. Nun gut, jagen wir eben ein Bündel Heu.

Wir sahen uns noch die weithin sichtbaren Sendetürme an ...

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und erlebten einen traumhaft schönen Sonnenuntergang.

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Das war ein gelungener Tag.

3. Etappe (30.8.): Jedlova - Petrovice

27km, 870Hm, 7 1/4 Stunden brutto.

Nun wurde es interessant. Durch mir unbekannte Wälder sollte es über den tschechischen Teil des Zittauer Gebirges so weit wie möglich gehen. Das Problem war, so spät wie möglich zu übernachten, denn auf der 4. Etappe würde es bis fast zum Ziel kein Dorf geben. Horni und Dolni Svetla sind ansehnliche Orte mit gewiss einigen freien Pensionen, aber dann würde die 4. Etappe ziemlicher Horror werden. Es blieb eigentlich nur, in Petrovice etwas zu suchen, bei Misserfolg über die Grenze nach Lückendorf zu laufen und dort unser Glück zu versuchen (ich war etwas skeptisch). Oder Biwak, aber dann brauchen wir einen Gasthof und frisches Wasser.

Zunächst einmal stiegen wir aber bei immer wärmerem Wetter vom Jedlova wieder herunter und hinauf auf die Burgruine Tolstejn (Tollenstein). Die war schon sehenswert, wenngleich nicht so wie erwartet. Doch wir erhielten den ersten Hinweis auf Kannibalismus in Tschechien: Die Gaststätte pries eine "Abendröstung". In der tschechischen Version stand allerdings etwas von "grilovani" geschrieben. Und es gab fliegende Ameisen in ungeheuren Mengen; das Foto Richtung Jedlova erscheint mit schwarzen Punkten dicht übersät.

Nach der Straße im Tal ging es lange bergan. Der Wald war urwüchsig und total einsam. Außer in Nähe der Lausche-Hütte und in der Nähe von Ortschaften trafen wir überhaupt niemanden mehr. Ein schöner, abwechslungsreicher und vor allem schattiger Weg bis zur Lausche. Letztere ist mit 793m der höchste Gipfel des Zittauer Gebirges. D1 und D2 rasteten erst einmal in der tschechischen Lausche-Hütte unten im Wald und aßen ihre erste Knoblauchsuppe, während ich in einer halben Stunde hoch- und heruntersauste. Für die 130 Höhenmeter im Anstieg brauchte ich genau 10 Minuten, trotz der Vorgeschichte: Ohne diesen Rucksack auf dem Rücken fliegt man ja regelrecht! Der Gipfel war wie angekündigt nicht der Bringer, die Sicht nur mittel. Zur Belohnung gab es unten wirklich gute Knoblauchsuppe, für die D's nun die zweite (an zwei oder drei Tagen in diesen zwei Wochen hatten wir übrigens keine bekommen).

Ab Lausche-Hütte ging es durch Horni und Dolni Svetla auf der Straße weiter. Asphalt tut immer weh, meinen Riesenballen-Füßen besonders. Die Freude des anschließenden Wald- und Buschweges wurde durch seine Steilheit gedämpft. In Krompholz schon wieder Straßenlatsche. Aua. Vor uns thronte der Hochwald, zweithöchster Gipfel des Gebirges: Dort mussten wir laut Karte noch hoch.

Der Anstieg wurde recht heiß, und als wir fast oben waren, knickte der Weg wieder nach unten ab. So ein Betrug, Pause. Doch nach 100m drehte er wieder nach links: Ansteigen, meine Herren, jetzt geht es wirklich ganz hoch, der Knick war nur wegen der Grenze! Irgendwie mühsam das alles heute. Es schien einfach zu warm zu sein.

Der Abstieg tat ein bisschen weh, die endlosen (obwohl schattigen) Forststraßen bis Petrovice dann aber wirklich. Ich brauchte während der ganzen Tour nur ein kleines, symbolisches Pflaster an den Füßen, doch die inneren Schmerzen waren schlimm. Am ersten Tag im Sandstein lief ich ohne Stöcke, um die Wege nicht zu schädigen. Ab zweiten Tag dann endlich mit Teleskopstöcken, wie eine neue Welt. So krass hatte ich den Unterschied früher noch gar nicht gemerkt. Aber nun taten die Füße trotzdem weh, und wie.

D1 hatte größere Probleme. Vor ca. 2 Wochen hatte ihn irgendein Miniviech im Gras in die Hand gebissen, es eiterte etwas. Ein angedeuteter roter Streifen lief über den Handrücken. Blutvergiftung? Wir beobachteten es jeden Tag, aber es änderte sich nur sehr langsam. Dafür juckte es ziemlich bös. Wann kommen endlich die Maden heraus? ;-)

So richtig fertig humpelten wir in Petrovice ein. Prima, gleich links Restaurant und Pension "Cleopatra", schickes Haus. Gar nicht prima: Montag und Dienstag zu. Und es war Dienstag. Eine Telefonnummer stand darunter. Erst mal erkunden ... Die Polizeistation war anscheinend zu, dort konnte man keinen fragen, aber hinten grub ein älterer Mann am Haus: "Ja, so zwischen 17 und 18 Uhr kommt er jeden Tag." OK, es war nach vier, warten wir also. Ich bekam inzwischen einen Wasserhahn gezeigt.

Zwei (west-)deutsche Geschäftsleute tauchten auf, sie wohnten in den Zimmern 1 und 2. Vielleicht waren 3 und 4 noch frei? Zugänge von außen, seltsam. Bei den beiden steckte der Schlüssel (toll), bei uns natürlich nicht (weniger toll). D2 versuchte, mit dem Handy anzurufen. Kein Anschluss unter dieser Nummer. Oh. Äh, wie war eigentlich die Vorwahl von Tschechien? Wer denkt daran, sich so etwas vorher aufzuschreiben? Ich dachte 43, D2 war mehr für 42. In einer Telefonzelle (nur mit Karte) forschte er im Buch so lange, bis er eine entsprechende Mobilfunknummer mit Auslands-Vorwahl fand: Autsch, nach der 42 kommt noch eine 0! Also, bitte merken, ganz wichtig: Anruf vom Handy in Tschechien: +420. Und Handyfeinde müssen draußen schlafen.

Dieser Anruf ging nun sofort durch, wir erreichten den Besitzer. Mit meinem Kauderwelsch aus 80% Tschechisch und 20% Polnisch und seinen 90% Tschechisch und 10% Deutsch klappte die Verständigung tadellos. Binnen 10 Minuten war er da. Wir bekamen die Zimmer, ein Bier, danach (typisch tschechisch :-) Schnitzel mit Pommes aus der Mikrowelle (war aber lecker), serviert von seiner Frau (?), die einen derart kurzen Rock trug, dass man Kürzeres nur noch als "partielle Slipabdeckung" bezeichnen könnte. Und sie war derart eingedieselt, dass die Biergläser an der Außenseite tatsächlich nach Parfüm rochen. D2 hat für sowas eine Nase.

Die Bettwäsche war mit Herzen verziert, der Waschraum sehr westlich, Fernseher und Stereoanlage standen im Zimmer, und unser flinker und äußerst dynamischer Wirt hatte nicht nur Goldkettchen um den Hals, sondern auch noch um die Handgelenke, nebst Ringen ... wir vermuteten eine, sagen wir mal multivalente Nutzung des Appartements. Wer eben kommt, etwas will (je nachdem) und zahlt (je nachdem). Aber es stimmte sonst eigentlich alles. Auch der Preis von 600 Kronen, allerdings nur für den Wirt. Gut, 20 Euro: Das zahlt man im Westen auch, im deutschen Osten leider auch 50% mehr. Ähm, einer der Puffs an der Strecke Hrensko-Decin heißt übrigens auch Cleopatra ...

Gut geschlafen, gegessen, geduscht, was will man mehr. Auch wenn wir die einzigen Herzchen blieben, neben denen auf der Bettdecke. Ich bin übrigens kein Biertrinker, gar nicht, doch ich kann mich beim besten Willen nicht an einen bierfreien Abend entsinnen.

Diesen Abend dehnte ich nicht. Dehnungsübungen sind viel wichtiger, als mancher glaubt, jedenfalls bei ordentlichen Anstrengungen (derartige Wanderungen, Rennradtouren und Äquivalente). Nicht wenige Gelenkbeschwerden (vor allem in den Knien) gehen auf fehlende Dehnungsübungen nach dem Sport zurück. Aber meine Übungen hätten mehr Druck auf die Füße gebracht, als diese zu tolerieren bereit waren. In der Theorie gibt es kaum einen Unterschied zwischen Theorie und Praxis, in der Praxis schon. Wobei ich zugeben muss, dass sich die Beine nach der ersten bergigen 140km-Radtour nach dem Urlaub deutlich zäher anfühlten als nach dem Urlaub.

4. Etappe (31.8.): Petrovice - Jested (Jeschken)

28km, 1450Hm, 7 1/4 Stunden brutto.

Diese Etappe wurde von D1 als Königsetappe angekündigt. Er hatte Recht, für sich. Die Höhenmeter kamen wirklich zusammen. Aber es war schön, sehr schön sogar, und wieder schattig. Unter anderem ging es über den Velky Vapenec (Großen Kalkberg), ein strenges Naturschutzgebiet, wo Mountainbiker ziemliche Gräben auf dem steilen, schmalen Pfad hinterlassen hatten. An der Quelle vor dem Berg trafen wir sogar ein tschechisches Pärchen. Mehr Publikum gab es nicht an diesem Tag.

Den Jested mit seinem in Europa vermutlich einzigartigen, silbern glänzenden, trichterförmigen Turm sieht man erst kurz vor dem Parkplatz auf westlicher Seite. Hier war ich nun schon wieder mit dem Rennrad gewesen, allerdings bei fast 0 Grad (im Oktober) und bei dichtestem Nebel. Der Jested ist nur 1011m hoch und überschreitet auf dem Gipfel dennoch die Baumgrenze. Deswegen auch die Turmform: Andere vorgeschlagene Geometrien sollen zu anfällig gegen die Stürme gewesen sein. Der Turm ist meiner Erinnerung nach 73m hoch und dient sowohl als Sendeturm wie auch als Hotel. Von weitem bildet er die logische Fortsetzung der Bergspitze, eine selten gelungene Architektur.

D1 ist sowieso etwas langsamer, D2 war es am Ende dieser Etappe auch, aber mich zog's mit aller Macht hoch. Ich raste vornweg und lief oben die Straße, die inzwischen ausgebessert wurde (durchaus rennradfähig). Ein Mountainbiker hatte fast Mühe, mich zu überholen. Der sah echt nicht gut aus. Ich wusste aber, was vor diesem Schlussanstieg kam, und konnte ihn voll verstehen. Wer auf den Jested will, sollte seine Kräfte gut einteilen.

Nun war ich zum ersten Mal bei gutem Wetter oben. Super. Das ist eine der bemerkenswertesten Ecken im nördlichen Böhmen. Zimmer im Hotel kosten 700 Kronen mit Dusche auf dem Gang, 1400 Kronen (aua) mit Dusche im Zimmer. Aber es war sowieso nichts frei wegen einer Fernsehveranstaltung.

Dafür bezogen wir am östlichen Fuß im Hotel Jestedka Quartier (500 Kronen), das ich ausdrücklich weiterempfehlen kann.

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Eine junge Kellnerin sprach fließend Englisch wie Deutsch, hatte "Human Research" studiert (was ist das??) und will ab Mitte September in London arbeiten. Der Generationenbruch in Tschechien wird besonders hart sein. Zwei Österreicher (mit sehr strengem Dialekt) bauten an Schneekanonen, denn der Jeschkengrat ist auch ein großes Skigebiet. Zum Sonnenuntergang liefen wir nochmals hoch zum Gipfel. Technik und Religion prallten dort aufeinander:

(Foto)

Es war ein schöner Abend. Wir tranken jeder noch eine Flasche Rotwein, zusätzlich zu den üblichen Bieren. Ist uns aber gut bekommen. Laue Sommernacht, ein Sternenhimmel, wie man ihn nie in der Stadtnähe sieht, vier sehr schöne Etappen hinter uns (110km insgesamt, 4200Hm!) - was will man mehr.

Was man mehr will? Einen gesunden D1 zum Beispiel. Seine roten Streifen wuchsen plötzlich. Arzt wäre nun Pflicht. Er entschied sich am nächsten Morgen für die Heimreise. Traurig, aber vernünftig. Mit dem Urlaub war er aber bereits sehr zufrieden: "Volle Punktzahl!"

5. Etappe (1.9.): Jested - Jizera

42km, 790Hm, 11 Stunden brutto, 80% Asphalt (oder mehr).

Wie man an den Zahlen sieht, ist der Begriff "Königsetappe" sehr relativ. So war es nicht geplant. Aber der Reihe nach.

Der Abstieg auf dem roten Weg vom Jested war angenehm und ging durch tiefen Wald. Die anschließende Latsche durch Liberec bei 30 Grad war weniger angenehm. Doch Straßenbahn Fahren hätte unserem Anliegen widersprochen, die Schneekoppe ohne fremde Hilfe zu erreichen. Da mussten wir durch. Wir gingen im Zentrum einkaufen; ich bekam tolles Trinkpulver, TANG, Gestattungsproduktion von Kraft, z.B. sehr schmackhaftes Apfelsaftpulver: Warum gibt es bei uns so etwas nicht? sind doch der Westen?? ;-) Dann verabschiedeten wir D1.

In der Folge gab es einen Verhauer, der uns so 2-3km kostete. Kommt vor. Korrektur mit Hilfe von freundlichen Tschechen, dann ging es zum Zoo. Auf dem harten Untergrund konnte ich überhaupt nicht laufen. D2 stürmte vornweg und sah nicht links und rechts. Da hatte er einiges verpasst, denn in Richtung Zoo wird ein ausgedehntes Villenviertel restauriert, mit sehr ansehnlichen Häusern.

Hinter dem Zoo sollte nun endlich Schluss sein mit Asphalt. Ich ahnte nicht, dass wir schon 10km durch die Stadt getippelt waren (und 7km vorher herunter).

Es ging auf Waldwegen hoch, nur selten kam uns ein Pilzsammler entgegen. Die Kellnerin im Hotel Jestedka hatte uns die Lisci Bouda empfohlen. Das passte prima, die lag weit genug "hinten", um am nächsten Tag nicht zu viel laufen zu müssen.

Dieser Donnerstag war als wärmster Tag angekündigt, und die Meteorologen hatten Recht. Es lief zäh. Nach einer Esspause im Wald ... Asphaltstraße. Oh. Wird ein Ende haben.

Hatte es nicht. Nach den riesigen Waldschäden (wir haben Anfang der 80er live miterlebt, wie die toten Wälder abgeholzt wurden) hatte man die Forststraßen ausgebaut - alle asphaltiert. Ein Dorado für Mountainbiker (wer ganz genau Bescheid weiß, könnte sogar Rennrad fahren, die Qualität des Asphalts ist sehr gut), aber die Hölle für Wanderer. Und es war heiß. Nun ja, reichlich 6km noch ab Bedrichov, einem hübsch gelegenen Ort in einem Tal. Obwohl: 6km können ganz schön lang werden.

Nach 2km erst einmal Nova Louka, eine größere Baude mit Unmassen Radfahrern, die alle Pause machen. Bei dieser Hitze hier herumlümmeln und sich dann bergab den Fahrtwind um die Nase wehen lassen, das wäre es jetzt. Aber wir hatten 15kg-Rucksäcke und ein Ziel. Die Baude war zu früh zum Übernachten (wenn es denn überhaupt gegangen wäre).

Wieder Asphalt ohne Ende. Wie lang doch 4km sein können. Endlich Häuser. Sah unbewohnt aus. Stimmt, alles zu. Oh. Was nun? Unten im Tal quoll Rauch aus einem Schornstein - ja, das könnte die Baude sein. Wie uns die "Wirtin", eine alte, nette Frau im Badeanzug, erzählte (ich musste all mein Tschechisch zusammenraffen, um sie zu verstehen), ist die Baude seit 1995 nur noch ein Museum. Und Übernachten geht nicht, auch nicht auf der Wiese (sowieso keine Gaststätte weit und breit), weil am Folgetag irgendwelche Marien-Wallfahrer kommen und früh alles gut aussehen soll. Ob man in der Smedava-Baude schlafen kann? Die liegt noch 8.5km weiter, grausam viel. Das wusste sie nicht. Aber Anrufen ging nicht wegen Funkloch im Tal. Auch einen Bekannten konnte sie nicht anrufen, der eine Hütte weiter oben für uns aufgeschlossen hätte.

Tja, was nun. Es roch leicht nach Biwak. Wir füllen uns vom Nicht-Trinkwasser an der Hütte etwas ab und versuchen es doch noch mit der Smedava-Baude. Obwohl ich nicht sehr optimistisch war, die machte bei einer Radtour nicht so den Eindruck (eher wie Gaststätte).

Der Weg nahm kein Ende, nur die Sonne sank immer weiter. Ab und zu Klumpen von Radfahrern. Wir waren die einzigen beiden Verrückten zu Fuß. Wer läuft denn hier schon. Ein Stück Betonplattenweg, in der Mitte Gras - das war schon ein kleines Paradies. Aber nicht lange. Der höchste Berg, die Izera (Tafelfichte), kam in Sicht. Nur ein flacher Buckel mit zwei Felsrücken drauf. Eigentlich wollte ich am nächsten Tag hoch, damit wir von jedem durchquerten Gebirge die höchsten Gipfel auf der Tour mitnehmen. Aber diese 6km Umweg verboten sich von selbst. Erst einmal überleben! Um diesen riesigen, flachen Buckel macht die Straße einen riesigen Bogen, den wir uns mit riesiger Anstrengung schleppten.

Am Ende steil bergab (mal Sand, kein Asphalt), Smedava-Baude und: Ein Schild "Ubytovani" = Übernachtung! Hurra! Drin bediente ein junger Kerl gerade zwei deutsche Touristen, wir warteten geduldig. Dann kamen wir dran und ... "neni", das Universalwort für Verneinung. Abgebügelt wie sonst was, auch das kommt nicht so selten vor in Tschechien (da muss ich wieder Polen loben). Is nich, gibs ni, 5km weiter in Jizerka gibt es Übernachtung, auf meine verzweifelte Frage hin. 5km?! Schafft man das überhaupt noch?

Man schafft es, indem man das Gehirn weitgehend abschaltet. Als der rote Weg mit dem Zeichen E3 allerdings eindeutig nach links abbog und wir derart gingen, wurde mir nach wenigen hundert Metern doch mulmig. Das konnte nicht sein. Karte 'raus - au Backe, jetzt wurde klar, wieso unten etwas von "14km" stand. Der E3 zieht neuerdings einen großen Bogen. Natürlich ganz glatt asphaltiert. Wie auch der Weg vorhin geradeaus.

Auf meiner Karte ging der E3 aber geradeaus, und so liefen wir nun. Das heißt, noch nicht. Denn gerade kam der nächste Schwarm fliegender Ameisen vom Dienst. Überall krabbelte es. Ich bekam die Karte kaum zusammen, und in den Kragen krochen die Viecher auch noch. Mir war, als würden einige beißen, aber die Wahrnehmung war bereits getrübt. So ähnlich muss die Wandererhölle sein: Mutterseelenallein und orientierungslos auf harter Piste, die Sonne geht unter, man kann kaum noch laufen, aber fliegende Ameisen.

Der Unterschied zur Hölle war, das wir eine neue Richtung und berechtigte Erwartungen hatten. So tippelten wir immer weiter in der Hoffnung, die Straße möge irgendwann nach rechts drehen (sonst Biwak, aber endgültig). Tatsächlich. Sie drehte sich. Zwei alte Markierungen fanden sich auch auf dem Weg. Wir kamen durch das bekannte Moor oberhalb Jizerka, eine Schranke und rechts davon eine etwas windschiefe Hütte, ein Restaurant. Drinnen wenige Leute - erste Frage: Übernachtung?? Ja!! Gewonnen! Und Essen, und Trinken.

Die Hütte, Pesakovna, liegt schräg gegenüber vom berühmten (ehemaligen) Misthaus und war die urigste Unterkunft der ganzen Tour. Sowas von schief. Wenn man von unserem Zimmer im Dachgeschoss zur Treppe lief, ging es bergauf. In der Gaststube eine große Sammlung von Glocken an der Decke; der Wirt offenbar sein bester Kunde, und ein völlig abgebrannter junger Typ in der Ecke. Überhaupt, nur Typen hier. Wir passten prima dazu. Zwei andere deutsche Wanderer, ordentlich und ruhig, wirkten da fast wie Fremdkörper.

300 Kronen für die Übernachtung mit Frühstück, das hatte ich fast schon erwartet (billiger kamen wir nur in Adrspach, aber das zählt nicht). Und das Essen war richtig gut und reichlich! D2, obwohl er nur 3/4 meines Gewichts hatte, begann allmählich mehr als ich zu essen. Das zeigte sich an dem Abend deutlich. Na gut, ich habe einfach mehr zum Zusetzen. Außerdem war ich auch fertig. Beim Zusammenrechnen der Kilometer bekam ich einen Heidenschreck.

Tja, und der völlig abgebrannte junge Typ in der Ecke war der Koch.

Ein schwer verständlicher Mann an unserem Tisch (Deutscher oder Tscheche?) erzählte uns, dass Gustav Ginzel, der bekannte Misthaus-Besitzer, inzwischen ein Pflegefall in Kempten ist. Sein Bruder hatte das Haus übernommen und war dann plötzlich gestorben. Nun verfällt es. Schade.

Die Nacht war heiß, und beim Einschlafen gab es schon heftige Fußschmerzen. Kein Wunder. Das waren locker 80% Asphalt.

Übrigens war heute Weltfriedenstag. Ich hatte nichts davon bemerkt. Und D1, der schlaue Hund, der übermäßigen Härten gern aus dem Wege geht, hat wieder mal die Kurve gekriegt ... wie macht der das nur ...

6. Etappe (2.9.): Jizerka - Vosecka bouda (Riesengebirge)

26km, 900Hm, 7 Stunden brutto.

Früh beim Abmarsch ging es auf den ersten Metern noch mit der Hitze. Schon ab Ortsmitte drückte der Planet wieder. Klaro: Asphaltstraße. Nach Aussagen des Tischnachbars wurde das "Herrenhaus" von einem Westdeutschen übernommen und saniert, er soll sich angeblich ziemlich "breitmachen". Das ist denkbar, der Ort ist im Winter sehr begehrt, was Preise und Sitten versaut. Jedenfalls wurde kräftig gearbeitet, und es sah in Teilen schon "vornehm" aus. Nur noch Reit- und Skiurlaub, Leute wie wir sind dann vermutlich nicht mehr gern gesehen.

Im asphaltierten Tal nach Dolni Korenov sah ich vielleicht zum ersten Mal eine Kreuzotter und schaffte sogar noch zwei Fotos. Der folgende Ort war recht verlassen, aber super gelegen, mit vielen Quartieren. Wir liefen zum Bahnhof, denn eigentlich sollte (verdienter!) Ruhetag sein. Wir planten den Besuch der Tropfsteinhöhle in Boskov bei Zelezny Brod. Der Fahrkartenverkauf auf dem Bahnhof war sehr unoffiziell, aber ebenso freundlich. Wir erfuhren, dass es keine entsprechende Verbindung gibt. Hin und zurück an einem Tag: Unrealistisch. Was tun? Weiterlaufen, logo.

Also erst einmal 1.5km Straße weiter nach Harrachov. Irgendwie mussten wir dabei eine Landesgrenze überschritten haben, denn plötzlich waren wir in Österreich. Jedenfalls schien es genau so. Überall Monsterhotels, alles zugepappt mit Reklame, ein Superduperverkauf neben dem nächsten, "original sächsische Bratwurst" (wie fein!) und so weiter und so fort. Und Asphalt, vom Feinsten. Wie schööön. Massen von Menschen. Manche sprachen allerdings nicht Deutsch.

Und einer sprach gar nicht, war dafür aber umso lieber: Der Hund Maxe, der mit uns lief, trotz des ständigen Rufens seiner Besitzerin. Nur als ich sagte, jetzt müssten wir ihn mal festhalten zwecks Rückgabe, hielt er sofort einen Sicherheitsabstand. Ein gerissenes Viech. Die Frau erzählte, er wäre schon in Harrachov in ein Auto gesprungen - und weg war er.

Bei der enormen Hitze wollte ich lieber das kühle Mumlava-Tal laufen als oben in der Prasselsonne im Gebirge. Das war im Prinzip richtig, nur waren das natürlich die nächsten 8km Asphalt. Endlich sah ich die Mumlava-Fälle im Sommer.

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Durch die Hitze hatte sich die Straße ausgedehnt und war deutlich länger als 8km geworden. Endlich, links ein Sandweg steil hoch. Nach 300 tschechischen Metern (laut Wegweiser; das entspricht etwa 600 deutschen Metern) Schluss mit lustig: Asphaltstraße. Mit dem Rennrad kommt man trotzdem nicht bis zur Vosecka Bouda, denn das letzte (doch längere) Stück ist Sandweg mit Querrinnen drin. Erstmals typische Vegetation: niedrige Bäume mit toten Stämmen dazwischen, sehr urwüchsig.

Die Vosecka-Baude kostete zwar 450 Kronen, bot dafür aber Halbpension. Gut, das Essen war nicht so reichlich (ich wurde zwar satt, die Pesakovna am Vorabend war aber eine Größenordnung besser), und ansonsten war es etwas HO-mäßig. Dafür schmeckte endlich mal der türkische Kaffee (vom dem ich in Tschechien sonst eher abrate). Überhaupt, ab diesem Tag. Ich nehme an, das lag am Kaffee und nicht an unserem Zustand.

Außer uns waren nur noch die beiden deutschen Wanderer aus der Pesakovna da. Offensichtlich auch Bergsteiger, von der alten Garde.

Abends waren die Fußschmerzen entsprechend heftig: Das waren 90% Asphalt gewesen!

7. Etappe (3.9.): Vosecka - Schneekoppe/Lucni Bouda (Wiesenbaude)

27km, 1040Hm, 9 Stunden brutto (mit Schneekoppe)

Das Wetter sah aus, als würde es umschlagen. Etwas diesig, im Westen bedrohlich grau. Früh auf dem Kamm die fast obligatorischen Nebelwolken (Baumgrenze bei 1100-1300m, Latschenkiefern bis max. 1500m, danach nur noch Steine). Der Riesengebirgskamm ist so bekannt, dass ich mir eine Beschreibung ersparen sollte. Ich trank zum ersten Mal Elbwasser: Es schmeckt gut! Allerdings nur aus der Quelle. D2 wollte erst nicht, weil der Wind Gras und Algen auf das Wasser geweht hatte, aber Algen sind gesund, und Gras soll demnächst legalisiert werden.

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Bis zum Riesengebirgspass waren fast nur Tschechen anzutreffen (und Deutsche). Ab dort vorwiegend Polen. Das hing einfach mit dem Zugang zusammen. Endlich mal wieder Polnisch hören. Ach ja, klar: Nebel weg, Sonne 'raus, heiß. Auch in 1200-1500m Höhe. Die Schneekoppe zeigte sich schon vor der Elbquelle, doch Entfernungen sehen im Hochgebirge immer etwas kürzer aus. Ich sah von oben die Straße von der schönsten aller meiner Radtouren, der zweitägigen Riesengebirgsumrundung. Es lief sich so. Auch Wege mit Steinplatten sind angenehmer als Asphalt.

Die Wiesenbaude machte in Ihrem Anmut der Franz-Josefs-Hütte am Glockner Konkurrenz (ich war nie dort!!), die ein Ösi-Bergschratt mal als höchstgelegenes Pissoir Österreichs bezeichnet hatte. So eine Kaserne, so ein Massenbetrieb. Wenigstens gab es erstklassigen Heidelbeerkuchen, und noch eine Spezialität des Hauses:

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Überhaupt, Speisekarten: Schon am Jested stand eine "Französin" auf dem Speiseplan. Ist wohl doch was mit Kannibalismus in Tschechien.

Da das Wetter wieder besser war und die Schneekoppe angeblich nur 30 Tage im Jahr Sicht bietet und wir außerdem hinterher ordentlich pranzen wollten ("7 Tage nur"), liefen wir gepäckfrei die 4km bis zum Gipfel. Erst langsam, aber als es steil wurde, bekam D2 einen Rappel. Ich rutschte mit meinen Schuhen auf den glattgelutschten, runden Steinen nur so aus und hatte in dem Schönwettergedrängel auf den Gipfel hoch noch Probleme, mit den Stöcken gegen- und mit D2 mitzuhalten. 44 Minuten brauchten wir von der Baude bis hoch, das kann nicht so schlecht gewesen sein. Der Anfang war immerhin gemäßigt! 1602m, und was ich gar nicht wusste: Der höchste Punkt Tschechiens. Klar, seit die Hohe Tatra in der Slowakei liegt ...

Heute endlich mal fast kein Asphalt.

Also, bis hierhin: 203km, etwa 7000Hm, 7 Tage. Wir leben noch.

8. Etappe (4.9.): Schneekoppe - Alberice (Albersdorf)

20km, 400Hm, 6 Stunden brutto.

Sonne, Wind, mittelwarm, einige Sicht - so geht das doch viel besser. Knapp unter dem Gipfel der Schneekoppe vorbei und dann den "schwarzen Grat" (poln. Name) auf breiten Wegen bis nach Mala Upa am Okraj-Pass, den die oben zitierte Radtour trifft. Aber nun ging es wieder etwas bergan in mir völlig unbekannte Gebiete. Bis auf den Umstand, dass uns der Asphalt wieder mal fest im Griff hatte, war die Ecke irre schön. Steile Wald- und Wiesenhänge, verstreute Häuser, Berge über Berge am Horizont, sehr reizvoll. Viele Unterkünfte, ein heißer Tipp. Ach ja: heiß war es inzwischen nun doch wieder geworden.

Horni Alberice wirkte bis auf eine Neubau-Pension recht ruhig, aber im Alten Zollhaus (Stara Celnice) bekamen wir für 12 Euro eine exquisite Halbpension. Wir waren rundum zufrieden mit diesem Quartier, da stimmte alles. Die Strecke war nicht so lang, doch der Asphalt brachte meine Fußknochen schon wieder zum Jaulen.

9. Etappe (5.9.): Alberice - Trutnov

21km, 560Hm, 7 Stunden brutto.

Weiter hinein ins Neuland! Trutnov kennt man ja als alter Adrspach-Kletterer, doch das Drumherum war ein weißer Fleck bei mir. Nun nicht mehr.

War diese Tour schön. Sonne, oben angenehm, unten wie immer zu warm, Sicht immer besser, u.a. auf polnische Berge, deren Namen ich noch nicht herausfand (Schlesien ist phantastisch bergig, nur etwas weit weg - dort gibt es noch viel zu tun!).

Der Dvursky les ist ein Buchenurwald und unbedingt sehenswert. Außer dem schmalen Pfad durch gibt es dort "nur Natur".

(Foto)

Große, alte Bunker aus dem zweiten Weltkrieg versteckten sich im dichten Wald, unter anderem Stachelberg, die angeblich größte Festung des Weltkriegs, die nicht erobert wurde (weil niemand sie angriff :-). Die massigen Betonzylinder sollen 34m in die Erde hineinreichen; an Tagen, an denen D2 und ich dort nicht sind, kann man sie besichtigen.

Ja, und dann endete der Weg plötzlich am Eingangstor eines Steinbruchs. D2 fragte: Doch, meinte die Pförtnerin, der Wanderweg geht hier durch. Also gingen wir. Man ist nicht in Deutschland, in Tschechien sind TÜV und Rechtsanwälte offenbar noch unterentwickelt.

Anschließend eine Tontaubenschießanlage - ausreichend Abwechslung für eine Wanderung. In Trutnov, auf der Straße, ging die Humpelei bei mir wieder los. Die junge Rezepteuse der ersten (vornehmen, neuen) Pension sprach fließend Englisch. Das überrascht mich immer wieder, denn die Tschechen konnten von allen Ostländern mit Abstand am schlechtesten Englisch. Aber die Zeiten ändern sich. Madam reservierte für uns gleich einen Platz im Interhotel Patria, im 10. Stock. Zum Glück hatte das Hotel einen Fahrstuhl. Für einen umgebauten WBS70-Block recht nobel, muss ich sagen. Nur für unsere Ansprüche zu hoch gegriffen (750 Kronen außerdem). Egal, erst mal die Füße quetschen.

Der Abend in der renovierten Altstadt war sehr schön, es gab lecker zu essen:

(Foto)

Hatten wir uns redlich verdient.

10. Etappe (6.9.): Trutnov - Adrspach

29km, 940Hm, 7 1/2 Stunden brutto.

Im Morgengrauen ist es noch kühl - frei nach einem russischen Film. Aber wir liefen erst 9:00 los, und daher wurde es bereits wieder warm. Straße bis Ortsausgang: Irgendwie mussten die die Karte geschrumpft haben, das war aber weit. Danach triefte ich und leitete uns rechts auf eine stark befahrene Straße statt links hoch nach Lhota. So folgte etwas Industriebesichtigung; nur wenige Stunden später ging es steil auf blauem und grünem Weg zurück zum roten. Der Umweg war allerdings nicht ganz so krass, weniger als 5km mehr.

Auch diese Etappe kann wärmstens empfohlen werden. Mit dem Auto sieht man gar nichts, die Zugfahrt hingegen ist schon ein Erlebnis. Doch zu Fuß bekommt man eine Vorstellung vom Gelände. In Radvanice zum Beispiel gibt es schön hergerichtete, alte Bauernhäuser mit vielen kleinen Extras in den Gärten. Vor Janovice schimmerte am nächsten Berghang etwas grau. Ob das die ersten Felsen waren? Sie waren es! Ziel in Sicht!

Vor dem Ziel kam aber - was denn sonst - Asphaltstraße. Irgendwie quält man sich halt durch. Auch in der linken Schulter zog es mächtig seit einiger Zeit. Die feinen Tricks, so etwas zu vermeiden, sind schwer zu finden. Die kleinste Asymmetrie wirkt sich bei solchen Anstrengungen brutal aus.

Gegen Ende nochmals Waldweg, bereits typischer Adrspach-Wald. Und dann endlich der vertraute Blick auf die Felsenstadt. Nur mit dem Quartier war es nicht so einfach: Nachsaison! Eine ältere Frau, Wirtin unserer künftigen Stamm-Kneipe, schickte uns einige Häuser weiter. Dort gab es Bungalows für 100 Kronen die Nacht, und wir hatten alles, war wir brauchten: Ein nicht muffliges Quartier (ist bei tschechischen Bungalows nicht immer gegeben), Ruhe, eine warme Dusche, eine prima Kneipe nicht weit und den Dorfkonsum gleich nebenan, mit 3 Stück Kuchen, Kaffee und Mohnzöpfen jeden Morgen (man ist eben nicht in Deutschland). Fettes Frühstück für umgerechnet 1.50 Euro, so lässt es sich leben.

Das Essen in der Kneipe (mit handgeschriebener, nur tschechischer Speisekarte) war auch wirklich gut, vor allem die Knoblauchsuppe. Ich bekam Probleme nach der Rückkehr. Sekundärduft.

Ziel erreicht. Bis hier 272km, 9000Hm. Hätte ich nicht gedacht. Aber ein Riesenerlebnis!

7.9.: Teplitzer Felsen

19km, 680Hm

Ziel erreicht, wir konnten uns zurücklehnen. Nicht ganz, es gab doch noch ein touristisches Programm. Das sah so aus: Da wir vor allem kein Seil mitschleifen konnten (und auch keinen Kletterführer), sollten wir uns Dinge ansehen, die Kletterer sonst nicht sehen, und natürlich die Felsen zusätzlich.

Also ab in die Schaukelwagen und eine Station bis Teplice gefahren (der Kilometer kostete etwa eine Krone, also reichlich 3 Cent - ich wollte es erst gar nicht glauben). Dann 9km auf dem grünen Weg zum Cap (Storch), dem höchsten Punkt des gesamten Gebietes. Ein äußerst abwechslungsreicher Weg. Wer über die Sperrung des Grenzweges im Großen Zschand traurig ist, sollte diesen laufen - er bietet vom Gelände her deutlich mehr. Vor dem Cap waren wir sogar noch auf einem leichten Gipfel (Capi Hrebenac).

Unten fand sich kein gelber Weg, aber auf verschlungenen Forstpfaden kamen wir ziemlich optimal in der Teplicer Felsenstadt heraus und machten noch 1.5 Rundgänge.

(Foto)

Naja, Ruhetag. Aber schön war's.

Der Bungalowbesitzer schien den Geräuschen nach einen Zoo zu haben. Bei der Suche um die Ecke fand sich ein Rabe in einem inzwischen zu kleinen Käfig (der Kerl war in 3 Jahren zu schnell gewachsen). Dieses Tier war wirklich intelligent. Ich spielte mit einem dicken Stock mit ihm, den er abwechselnd aus der Hand ziehen bzw. mit dem Schnabel schlagen wollte. Unglaublich, wieviel Kraft ein Rabe hat! (Und deutlich größer als gedacht war er auch.) Als er seinen Riesenschnabel durch den Maschendroatzauun steckte, konnte ich diesen mal streicheln (fühlt sich wachsig an). Offenbar hatte er das gern. Sehr unvögliges Verhalten.

8.9.: Adrspacher Felsen

15km (kaum schätzbar, mindestens), 880Hm

D2 war bei einer Art Kletterkurzurlaub auf unmöglichsten Gipfelchen in Adrspach gewesen und kannte die wahren Schönheiten noch nicht. Vor allem wollten wir auch in Adrspach noch einen Gipfel machen. Leichter gesagt als getan in diesem schweren Gebiet, und dann ohne Seil und Kletterführer. Ich besann mich, dass am König etwas Leichtes stand. Aber um den König zu finden, umrundeten wir ihn großräumig zweimal, bis ich eine wüste Schlucht von 1982 wiedererkannte und durch sie zum Gipfel fand. Wer in Adrspach schon einmal Gipfel gesucht hat, weiß, wovon ich rede. Leider war der kleine Gipfel nicht sonderlich geeignet. Es fand sich ein unwürdiger Haufen daneben, "Princatka" (Prinzesschen?), naja ... Gipfel ... aber eben mit Buch oben. Seit 1983. Warum ich damals nicht dort oben war? Weil ich lieber auf den König kletterte!

Ein Tscheche, der auch Deutsch und Englisch sprach, stieg seinem asiatischen Freund aus den USA den König gerade vor. Es war echt international.

Adrspach ist fest in polnischer Hand. Nein, keine Einkäufer, sondern richtige Touristen, die seit den EU-Beitritten endlich frei reisen dürfen. Speisekarten auch in Polnisch, Schilder in Tschechisch, Deutsch und Polnisch, selbst eine ältere Verkäuferin in Teplice sprach Polnisch. Das Leben wurde für mich leichter.

D2 hatte bei seinen Forschungen in Petrovice entdeckt, dass man tschechische Telefonzellen anrufen kann, die Nummer steht groß drauf. Dank unserer Vorwahlkenntnisse konnte er nun die Zelle am Busparkplatz klingeln lassen. Tatsächlich rannte mal einer hin. Aber ansonsten klappte es nicht so recht mit dem Foppen. In Zelezny Brod auf dem Bahnhof beispielsweise, bei so vielen Leuten herum, reagierte einfach keiner.

9.9.: Zelezny Brod und Boskov-Höhle

23km, 860Hm

Wie die Zahlen zeigen, war wieder nichts mit Ruhetag. Ein Tagesordnungspunkt war nämlich noch nicht abgehakt: Die Boskov-Höhle. Zelezny Brod lag in Richtung Heimreise, war also ein günstiger Zwischenstopp. Im Prinzip.

Die Bahnfahrt nach Trutnov war Spitze wie immer (vor allem im Vergleich zur Deutschen Bahn). Scheibenputzen erübrigt sich eigentlich, das machen die Bäume. Dann Bahn nach Martinice im Riesengebirge, mir total unbekannte Ecken. Ersatzbus nach Stara Paka wegen Bauarbeiten. Jedes Mal, wenn ein Betonauto kam, musste einer von beiden auf die Wiese, so eng war's. Drei Züge warteten, unserer auch, und eine irre Schaukelfahrt bis nach Zelezny Brod. Klar, warum ab Semily keine Straße mehr im Tal entlangführt: Ein Tunnel nach dem anderen, gar kein Platz. Und 6 Minuten Verspätung. Im Prinzip wegen Bauarbeiten, jawohl. Oder der Bahnhofsvorsteher in Trutnov hatte noch 6 Minuten etwas Wichtiges zu babeln. Das gäbe es bei uns nicht!! Wir haben solidere Gründe für Verspätungen! Und dafür dann richtige Verspätungen.

Zelezny Brod hatte auch schon bessere Zeiten gesehen. Liegt eng eingekeilt im Tal, eine herrliche Umgebung, aber wovon leben die Leute inzwischen? Zwei oder drei Hotels zu, ein einziges fanden wir (Asphalt laufen ...): Garten-Hotel Alte Mühle (Stary Mlyn), sehr annehmbar (400 Kronen).

Wer sich gut auskennt, kommt von dort bis Boskov. Wir kannten uns nicht gut aus, was heißt: laufen. Waren wir ja gewohnt. 10km über den Berg hin, 10km zurück. Wir sind gar nicht langsam gelaufen, nein. Wir hatten ja kein Gepäck dabei. Das heißt, Zwinki spielte wie üblich den Lastesel, aber die Lasten gingen so. Der blaue Weg ist übrigens schön, eine Tour sollte man auf jeden Fall laufen!

Die Höhle war nicht groß, doch sehr interessant. Mitten in einer Urgesteinsgegend eine mit Quarz vermischte Dolomitlinse, was etwas andere Farben und Formen als gewohnt erzeugt:

(Foto)(Bild von D2).

Die Führung auch in Deutsch vom Tonband, kurz und sachlich mit lustigem Akzent ("diese Hälle nennt man Hälle" - selbst übersetzen :-), dauerte nur 45 Minuten. Das einzige Mal, dass ich in diesem Urlaub die Fleecejacke brauchte. Ansonsten immer nur ein T-Shirt, spätabends vielleicht mal ein Hemd draußen.

Die Öffnungszeiten:

(Foto)

Und einen 24m langen unterirdischen See gibt es auch:

(Foto)(Bild von D2).

Abends wollte ich zum Abschluss besonders gut essen. Es schmeckte wirklich super, aber ich schaffte es nicht mehr. An unserem Tisch tauchte eine verwirrte Frau auf, mit Heu in den Haaren, barfuß, in nassen Leggins, und bettelte uns um etwas. Der Kellner schickte sie schließlich hinaus. Er sprach sehr gut Deutsch und erklärte, dass sie jemanden suchte, der sie mit dem Auto zu einem Dorf fährt. Aha, deswegen erwähnte er wohl die Polizei. Bei uns hätte man diese vielleicht geholt, dort nicht. Es gibt auch viel Elend drüben, ich sehe es auf den Radtouren regelmäßig (und auch sonst). Diese Frau zählte vielleicht nur bedingt dazu, aber wer weiß.

10.9.: Zelezny Brod - Dresden

ca. 0km, 0Hm

Die Bahnfahrt von Zelezny Brod über Turnov nach Liberec ist schön! Empfehlung! Wir wollten mit dem Wochenendticket tricksen, nur geht das offenbar nicht mehr. War auch nicht nötig, wir haben uns wahrlich nicht arm bezahlt (nicht mal bei der DB). Insgesamt verbrauchte ich im Urlaub nur reichlich 300 Euro (ca. 9500 Kronen) - dies vielleicht mal als Vergleichswert für spätere, selbstverständlich bessere Zeiten. Es scheint so zu sein, dass die Ereignisse, bei denen man sich am meisten quält, am billigsten sind - wie z.B. die DMM-Wanderung (75km Laufen für 2 Euro).

In Liberec ging es ganz schnell weiter bis nach Zittau, dort mussten wir sogar zum Zug nach Dresden rennen. Der Zug endete in Klotzsche wegen Bauarbeiten oder Umstellungen (Software??) vor dem Hauptbahnhof. Der Schaffner entschuldigte sich: "Heute ist Chaos, wir haben Bauarbeiten!" Das haute uns nicht vom Hocker - hatte doch unser Zug nach Zelezny Brod bereits sage und schreibe 6 (sechs) Minuten Verspätung wegen Bauarbeiten.

In Klotzsche überall Wahlpappen - ach ja, 'ne Bundestagswahl gab es ja auch noch. Hamwa gar nicht vermisst.

Und so kamen wir friedlich nachmittags zu Hause an. Abends gingen die ersten Gewitter los.

Jedes Jahr könnte ich so etwas nicht machen, ich will noch mit 70 mit den alten Haudegen auf der Dresdner Wintertour mithalten können. Aber es war eigentlich sportlicher als die Alpen, härter, und mit einer Flut neuer Eindrücke. Der "Kontakt zu Tschechien" war deutlich enger als in einem Urlaub, wo man sich einfach irgendwo einnistet.

Die ersten vier Etappen werde ich wahrscheinlich irgendwann nochmals laufen, einfach so aus Spaß an der Freude. Die Nummer von der Pension Cleopatra haben wir ja nun.

Und wenn uns jetzt jemand erzählt, dass er in Adrspach war, werden wir ihn fragen, wie er dort hingekommen ist. Die Antwort steht schon fest: "Feigling! Feigling!"