Tour de Panne oder: Wie heile ich eine Erkältung aus

Kurze Vorgeschichte: Vor wenigen Jahren gurkte ich schon einmal an der sog. Schwefelquelle in Tschechien, Nähe Zittauer Gebirge, herum. Die hat nichts mit Schwefel zu tun, aber stark eisenhaltiges Wasser bildet dort im Quellbecken ulkigste Formen von Eisen-II-oxid, gelbe Ballons mit grünen Algenfäden dazwischen. Auch so ist es eine interessante Ecke. Leider sah nur ich das, dazu unten mehr.

Damals war die einzige Straße, die von Horni Jasna zum Stozske Sedlo, fast unbefahrbar. Inzwischen ist die prima neu gemacht, ebenso wie die Fortsetzung Richtung Kytlice. Das erlaubt eine neue Tour, die erst jetzt in mein Verzeichnis kommt. Lippi von den Cielabs wollte im September noch gern eine 250er machen, die Schwefelquellenrunde bot sich an.

Zu meiner Überraschung standen 8 Leute am 15.9. um 6.37 am Start, davon sogar eine Leutin (Dani). Wow, stark.

Start mit Hürden

Es pfiff gehörig von hinten. Wir machten uns wenig Gedanken um dem Rückweg. Ich musste eigentlich kurz treten, denn ich hatte am Tag zuvor noch eine sehr heftige Erkältung, die meine Mitstreiter im Büro bei jedem Hustenfall gleich zum Notruftelefon greifen lassen wollte. Aber ich kenne mich. An der Grenze in Schmilka sollte ich wissen, ob ich mir die Tour zutrauen darf oder nicht. Bis dahin wird gefälligst gemütlich gefahren.

Nun ja, so gemütlich wurde es doch nicht. Zum ersten gab es drei Pannen, jedes Mal musste - wie immer - meine Doppelkolbenpumpe (die es so nicht mehr zu kaufen gibt) herhalten, weil nur sie richtig Volumen bringt. Willkommene Pausen für mich. Ansonsten hat der Wind so gedrückt, dass wir teils mit 40-45 Sachen fahren und uns dabei locker unterhalten konnten. Hätten wir nur ein klein wenig mehr auf die Pedale gedrückt: Mein Schnitt am Grenzübergang nach 52km betrug 29.8. Wie es mir ging? Nun ja, der Ortsschildsprint Schmilka klappte noch, mein Überraschungseffekt wirkte. Also weiter. Wenn schon sterben, dann noch nicht jetzt.

Eigentlich wollten wir dann ein bisschen herausnehmen. Dani freute sich. Mit dem Herausnehmen ist das aber so eine Sache, wir fanden nicht den Schlüssel zu Klappe, wo man das Tempo herausnehmen kann. Jedenfalls gab es am Fuß des ersten Berges nach Decin den ersten Verlust: Dani und Barfoos gaben auf. Im Nachhinein gesehen: Vernünftig, bis dahin war es ja noch gar nichts.

Raketenantrieb

Zu unserer Freude blies es weiterhin von hinten (die Windrichtung wechselt in Tschechien in der Regel). In Benesov eine kurze Pause:

(Foto)

Wir hatten bis Ceska Lipa (100km ab Dresden) trotz des welligen Profils (was man darunter auch verstehen mag) über 29 Schnitt, ohne fertig zu sein. Und nach Zakupy ging es auf freier Fläche in diesem Sinne weiter. Es war durchaus oft sonnig, leicht diesig, aber sehr schön, und der Herbst begann bereits mit Farben zu leuchten. Wäre ein großer Fehler von mir gewesen, heute nicht zu fahren. Selbst wenn ich mit dem Leben dafür bezahlen sollte - Sportler leben zwar nicht länger, sterben aber viel gesünder.

Im Svitava-Tal der einzige Mini-Verhauer von mir, den ich gleich bemerkte: Die Gegend kam mir wenig bekannt vor. Blick auf die Karte und 300m zurück. Ansonsten war es dort schön wie immer, und mit dem Wind ging es doch recht gut ab. Schönes Wetter, schöne Berge, schöne Gegend:

(Foto)

Ein mehrstöckiges Haus in den Felsüberhang hinein gebaut ("die haben bestimmt eine Kletterwand im Haus!"), ein uraltes Höhlensystem in den Fels hineingehauen (Pusty kostel) - ich drücke bei solchen langen Touren immer ein wenig aufs Sightseeing, denn man will doch etwas sehen von der Gegend, durch die man fährt, nicht nur den Tacho:

(Foto)

Gravitationsbremse

Nach Querung der E13 in der Nähe von Cvikov stieg es langsam an. Landschaftlich und von den Orten her eine sehr schöne Ecke (Marenice), hinten winkte schon die Lausche (soweit ein Berg eben winken kann). In Dolni Svetla - wir waren immer noch schnell, nach meiner Erinnerung um die 28 Schnitt - ließ ich mich am Berg zurückfallen, denn ich wusste, was kam und durfte keinesfalls überdrehen. Immerhin war ich eigentlich noch krank, bis auf Ausdauer und einzelne zackige Antritte verbat mir mein innerer Arzt Sport.

Der Berg nach Horni Svetla hatte erst 10, dann 12, dann mal 16%, oben noch 10-11% (und das nach 133km). Ich lobte mein drittes Blatt, das mir erlaubte, auch unter solchen Umständen noch so eine schöne Tour zu machen. Oben eine schöne Aussicht u.a. auf Jeschken, Hohwald ...

(Foto)

... und Ortel (Vulkankegel südlich) und eine kleine Metallplakette "geimpft gegen Tollwut" auf der Straße. Wem ich die heimlich anhänge, weiß ich noch nicht.

Der Höhepunkt

Leider sausten die Leute dann gleich wie die Irren los, ich konnte nicht mal mehr rufen. Bergauf erwischte ich keinen mehr. Leute, wenn Ihr den Weg nicht kennt, könnt Ihr nicht vornweg fahren. Und wo es zur Schwefelquelle ab geht, wusste eben nur ich, das ist nicht so leicht zu finden. Jedenfalls verloren wir dadurch allerhand Zeit und Höhenmeter. Wenn schon die Schwefelquellen das eigentliche Ziel der Tour ist (und nicht etwa die Kneipe, dann hätten wir in Hrensko bleiben können), dann nehme wir die mit - da bin ich stur.

Aber keiner außer mir wollte über das kleine Flüsslein; alle dachten, sie hätten schon alles gesehen. Wegen ein paar gelber Steine im Fluss locke ich keinen dort hin, es gab schon mehr zu sehen, Leute! Das eine Foto sollte wenigstens etwas davon vermitteln können:

(Foto)

Nicht alles ist für alle gleich wichtig

Auf sehr guten Straßen (die ehemals wie gesagt ungenießbar waren) ging es nun bis Kytlice und das tolle Kamenice-Tal weiter hinab bis Ceska Kamenice. Der Ruf nach Kneipe wurde immer lauter. Aber solange noch Berge kommen, sollte man nicht völlern. Vor Ceska Kamenice noch die bemerkenswerte Basaltorgel Pusty Zamek (Wüstenschloss) in besonders schönem Licht:

(Foto)

Dann ging es wellig, aber nicht zu wellig immer weiter nach Jetrichove und bis nach Vysoka Lipa. Ich hing an den etwas längeren Bergen nun doch hinterher, so ganz fit war ich ja wirklich nicht. Und vorsichtig sollte ich sein. In Vysoka Lipa endlich die ersehnte Kneipe, MrX aß volle 10 Scheiben Knödel nebst Palatschinken. Das war aber noch kein Rekord: Die Kellnerin erzählte uns, dass der Herr dort drüben gerade 15 Scheiben bestellt hatte. Mir reichte ein kleines Omelett mit Champignons vollauf, ich hatte noch nicht einmal beide Schnitten aufgegessen. Naja, ich konnte ja auch von meinen Ringmuskeln zehren.

Kompott

An der Elbe blies es zwar von vorn, aber nicht so furchtbar wie früh. Unsere Gruppe war flott bis Schandau unterwegs, bis dorthin hielt ich das Tempo noch gut mit. Dann ließ ich nach, aber Lippi und RadRalf warteten (einer hatte sich schon verabschiedet, er musste nur bis Königstein). Diese beiden sagte dann in Heidenau auch Tschüss, und ich trabte relativ gemütlich nach einigen Erholungs-SMS und einem Riegel bis nach Hause, wo genau 240km bei einem 27er Schnitt zusammenkamen (eigentlich 26.9, aber angesichts Krankheit und Wind runde ich mal). Zu essen brauchte ich fast gar nichts mehr abends.

Nachwort

Dass ich abends deutlich weniger hustete als am Tag zuvor, überraschte mich gar nicht, das kenne ich. Aber eine lockere Wanderung in netter Gesellschaft heute (am Sonntag) bei herrlichem Wetter war trotz des Wahnsinnstempos (10km in 5 Stunden) und anschließender Völlerei in Hrensko offenbar die rechte Rekom, mir geht es jetzt ziemlich gut.

So heilt man Erkältungen aus.