Nach der Lienzer Dolomitenrundfahrt sollte es dieses Jahr endlich mal ein "anständiger" Alpenmarathon werden. Ich liebäugelte schon seit langem mit dem Dreiländergiro in Nauders, schon weil ich vor Jahren einmal von der Payer-Hütte am Ortler aus die Straße zum Stilfser Joch sah. Bei diesem Anblick kann man nicht gleichgültig bleiben.
Eigentlich möchte ich irgendwann einmal die große Runde des Giro Dolomiti schaffen, doch vorerst ist sie zu schwer für mich. Nauders hat offiziell "nur" 3300Hm und 172km - aber vor allem geht's über das Stilfser Joch.
Also fuhren wir am 5.7. los zu einem sehr vielseitigen und sportlichen Kurzurlaub. Wir - das sind übrigens Mme. Rothaar, Mr. Langhaar und ich.
Das Stilfser Joch ist 2758m hoch, und ich war oft genug in den Bergen um zu wissen, daß man in solche Höhen nicht aus der kalten fährt (man kann schon, aber es ist sehr unvernünftig). So überredete ich wenigstens Mme. Rothaar und Mr. Langhaar, vorher leichte 3000er zwecks Akklimatisation zu machen und hoch in einer Hütte zu schlafen.
Um es vorwegzunehmen: Unser Unternehmen vom Donnerstag bis Montag (zzgl. Reise von 2x9 Stunden teils ekliger Autobahnfahrt, u.a. A9) war ein voller Erfolg. Zwar regnete es am Mittwoch, doch Donnerstag früh war das Wetter bereits wieder schön. Wie das in den Alpen häufig vorkommt.
Bergmäßig bepackt zogen wir von Nauders in Richtung Sulden los. Unsere Wirtin hatte zum Glück ein paar Anekdoten zum besten gegeben, die die ständig zweifelnde Mme. Rothaar überzeugten, daß es mit der Akklimatisation vielleicht doch nicht so verkehrt sei (obwohl sie nur die kurze Runde fuhr) und daß das Wetter da oben sehr tückisch sein kann. "Ja", meinte sie, "auch oben schlafen ist sehr gut." Wir erzählten ihr noch im Detail, was wir vorhatten, obwohl sie es eigentlich schon wußte.
Die Straße von Gomagoi nach Sulden ist beeindruckend, und auf meine beiden Alpen-total-Neulinge wirkte es noch mehr. Mr. Longhaar hatte so seine Zweifel, ob 39:26 hier sinnvoll wäre und fürchtete sich auch ein wenig vor der Abfahrt.
Eines der angenehmsten Transportmittel bei schönem Wetter, nämlich ein Sessellift, hievte uns lautlos auf 2350m Höhe, und erstaunlich schnell für die zwei Nicht-Wanderer waren wir an der Zaytalhütte (2724m). Ohne Diskussionen ging es nach einer Stunde weiter auf das Hintere Schöneck (3128m), wo die Luft bereits dünnlich wurde. Der Gipfel ist relativ leicht, aber ein bißchen festhalten muß man sich schon. Dafür belohnte uns ein Wahnsinns-Ausblick - unglaublich, aber wahr: In 300km Entfernung (!) leuchtete der Mont Blanc. Ist nicht gesponnen. Ringsum Gletscher, besonders beeindruckend natürlich der gegenüberliegende Ortler. Und steile Felsen, auch wenn die Zaytalgruppe ein wenig schuttig ist.
Meine beiden "Neulinge" staunten und staunten. Es war auch herrlich. Störend waren eigentlich nur die Fliegen, ein Kuriosum in dieser Höhe. Und warm war's, 9 Grad an der Hütte, abends sogar 15. Ungewöhnlich. Außerdem starker Wind an der Hütte, oben totale Windstille.
Konnte beim Dreiländergiro kommen, was wollte, dieses Highlight war unser, das nahm keiner mehr weg. Mme. Rothaar wollte mir zwar nicht glauben, wie brutal man sich in dieser Höhe verbrennen kann in der Sonne (und zum Glück hat sie's auch nur wenig erwischt), aber daß die erste Nacht in 2700m Höhe schnell mal schlaflos wird, das merkte sie.
Heldenmütig zog sie aber am nächsten Morgen wieder mit zur Tschengsler Hochwand, die schon 3375m hoch ist (!). Der Weg war gar nicht so einfach, es gab steile Schuttwege, Kraxeleien, sogar mal eine kleine Leiter sowie eine per Drahtseil gesicherte Passage an einer Platte. Besonders beeindruckend für "Neulinge" wie auch für mich die Moränenlandschaft aus großen Blöcken sowie ein schönes Gletschertor.
Es war schon eine richtige Hochtour, nur eben ohne Schnee (dafür hatten sie keine Ausrüstung mit). Das Wetter war alpiner als gestern: starker Wind (im alpinen Sinne, nicht etwa dem von Radfahrern), kalt, Sicht schlechter, aber trotzdem herrlich: Die Berge dampften kolossal. Der Wasserdampf in der Luft kondensierte bei Berührung mit dem Fels. So waren die Grate und Gletscher auf der Windseite frei, und 2m links davon verschwand alles in einem brodelnden Wolkenmeer, einschließlich des 2500m tiefer gelegenen Vinschgaus. Das Wetter schlug um, aber wir blieben trocken. Es war alles alpiner als am Vortag.
Einziger Wermutstropfen: Die Gipfelbuchkassette ging nicht auf, eine Fehlkonstruktion. Die kenne ich, aber bisher schafften wir es noch immer, sie aufzuhebeln; diesmal vergeblich.
Noch ein Erlebnis, das nicht mehr rückgängig zu machen ist. Ich war auch in Hochstimmung. Seit zwei Jahren kein Alpengipfel mehr, ich hatte bereits erste Entzugserscheinungen.
1000Hm Abstieg vom Gipfel zur Seilbahn waren etwas viel für Mme. Rothaar, aber sie kam an. Abends in Nauders feierten wir schon wieder mit Rotwein den Gipfel. Doch dann der Hammer - wir wurden polizeilich gesucht!! Unsere Wirtin hatte uns als vermißt gemeldet!! Hm, Leute, ich war schon so oft in Österreich, aber da soll man keine Vorurteile bekommen ... ich sage lieber nichts dazu. Hatte zum Glück keine Folgen. In Zukunft alles schriftlich mit Rückschein.
Samstag, wo die armen Münchner glaubten, in Italien käme die Sonne heraus, machten wir Ruhetag und holten unsere Startnummern. Ein lebhafter, hübscher Hund spielte sehr rege mit mir, war ein ganz lieber Kerl. Auf die Frage, wie er heißt, antwortete sein Besitzer: "Argo." Soso. "Und morgen ist er mit in Trafoi am Kontrollpunkt." Leider fand ich ihn dort nicht.
Die Spaghettiparty war ein wenig anders als in Lienz, wo man sich voriges Jahr nach Belieben den Bauch mit Kaiserschmarren vollschlagen konnte. In Nauders gab es Spaghetti mit Tomatensoße in Asietten für ... 70 Schilling (10 DM). Man sollte es gar nicht glauben. Naja, wir kochten lieber selbst.
Inzwischen war auch Nobbi gekommen, meine Altersklasse, fährt jedoch besser als ich trotz seiner 85kg. Die Nacht war unruhig, wie üblich, und im Morgen-Grauen versammelten sich bei grauem Himmel graue, recht sorgenvolle Gesichter auf dem Platz, immer mehr. Ich war schon bei einigen "Großveranstaltungen", doch diesmal konnte man in den Gesichtern lesen: Alle hatte irgendwie Bammel, es war auch ziemlich kalt. Auf dem Stilfser Joch sollten 1-4 Grad sein - ob das in 4 Stunden auch noch so sein würde?
Nach einer recht guten Einweisung fiel Punkt 6.30 Uhr der Startschuß mit ohrenbetäubendem Krachen - man hatte die Schützengarde in Trachten aufgefahren und Salut schießen lassen. Originell!
Ein sehr starker Rückenwind trieb uns fast auf den flachen Reschenpaß hoch, noch in Prad nach ca. 30km hatte ich ohne Probleme 33.5 km/h Schnitt (die Abfahrt vom Paß ist herrlich!). Beeindruckend das Polizeiaufgebot in Italien. Es war alles bestens organisiert, und viele Leute standen bereits an der Straße.
In Prad allgemeines Umziehen - es ging los. Ab jetzt 1800Hm auf 21km, aber erst einmal bis Trafoi. Die Sonne kam heraus, es fuhr sich gut. Ein Mitfahrer erzählte mir, er hätte von Prad ca. 3 Stunden bis zum Joch gebraucht (ich weiß von 2.5 Stunden ohne Pause bei guter Form), insgesamt etwa 10 Stunden. In Trafoi ging es uns noch gut, es gab sogar Kakaokuchen. Mein Hunger war arg bescheiden, nur reichlich 1.5 Scheibchen Kuchen würgte ich hinunter. Und Argo war nicht da. Dafür gab es Sonne und schon großartige Ausblicke auf Ortler und Trafoier Eiswand.
Der Anstieg war gleichmäßig, meist 8-10%. Ich konnte auf dem mittleren Blatt gut fahren (36:24, also 39:26) und schaffte meist eine zweistellige Geschwindigkeit. So gingen die ersten 1000Hm vorbei, und ich kam endlich einmal dazu, auch die Landschaft zu genießen. Von dieser Seite kannte ich Ortler und Trafoier Eiswand nicht, es war toll. Hinten thronte hoch über dem Tal die Tschengsler Hochwand, ziemlich verschneit - dort waren wir vorgestern oben ... ich freute mich einfach.
Die 15%-Steilstücke kamen schon im Wald (ab Kehre 33), und ab dort nutzte ich das kleinste Blatt mit (meist 26:21, was mir sehr gut bekam). Mein Ehrgeiz reichte nicht soweit, auf Pausen zu verzichten - ich weiß, was ich kann und was nicht. Pausen helfen bei mir sehr, geschoben habe ich bis heute nicht. Bei einer Pause sauste aus ziemlicher Höhe ein 1kg-Steinchen etwa 10-20m an uns vorbei. Einfach so. Ist wirklich steil dort. Wie man die anderen Serpentinen unter sich winden sieht, ist schon beeindruckend: So steil sind wenige Alpenstraßen. Teilweise ist die Straße schlecht, aber das stört fast nicht bergauf. Die überhöhten scharfen Kurven erlauben allerdings, sich immer wieder für 2-3 Sekunden zu erholen. Die Glocknerstraße von Heiligenblut aus ist da deutlich schlimmer gewesen.
Andere machten auch regelmäßig Pause, einer bekam einen üblen Krampf. Viele schoben ein Stück. Das brauchte ich nicht dank Dreifachkurbel.
200m unter dem Paß (man hörte schon die Leute jubeln) wurde die Luft trotzdem schrecklich dünn. Die beiden Gipfel konnte nur helfen, akklimatisiert war ich natürlich noch nicht. Ich japste ganz schön, es war schon bald so schlimm wie am Hohen Schneeberg in der Tschechei auf dem mittleren Kettenblatt. Da - ein Fotograf! Lächeln! (Ja, hat geklappt - das Foto ist eine erstklassige Schwindelaufnahme geworden: Ich fahre lachend voran, hinter mir kämpft einer im Wiegetritt, der dritte schiebt. Wenn ich das Bild habe, kommt's in's Netz.)
Die Luft wurde kalt, der Atem rauchte. Der Rummel auf dem Paß kann einen alten Alpenhasen nicht schocken. Ich bekam aber kein Essen herunter, trank nur etwas. Naja, wir haben ja gestern so eine Art Powerbar bekommen - wo ist er denn gleich ... wo haben wir ihn denn ... ja wo denn ... Shit. Lag im weißen Beutel auf dem weißen Federbett unten in Nauders. Samt allen anderen Notrationen.
Ich habe 5 oder 10 Minuten weniger als 3 Stunden von Prad aus gebraucht, inklusive ordentlicher Pause in Trafoi und 3-4 Atem-Halte unterwegs. Gut ging es mir oben nicht mehr, das Foto schwindelt wirklich.
Kalt war's wirklich und ziemlich windig. Nix ungewöhnliches. Ich zog mich an und fuhr über den Umbrailpaß nach St. Maria. Diese Abfahrt war toll, doch keine Erholung. Das erste Stück auf sehr guter Straße. Ich hätte mich gern mehr umgeschaut, aber es hieß aufpassen. Der Umbrailpaß selbst ist bekanntlich nur eine ganz kurze 8%-Rampe. Aber dann geht es steil bergab mit sehr vielen scharfen Kurven. Und es war immer noch kalt. Die 4km Naturstraße lassen sich gut fahren, strengen aber natürlich auch mehr als üblich an. Unten mächtig steile, sehr enge Serpentinen im Wald, eine wilde Fahrt. Plötzlich heftiges Bremsenquietschen hinter mir. Da wollte mich einer in voller Fahrt überholen, als hinter einem Felsvorsprung ein Auto entgegenkam. Das war teuflisch gefährlich für meinen Hintermann. Er überholte mich erst sehr viel weiter unten (ich fahre nicht schnell ab), der Schreck saß ihm offenbar tief in den Gliedern.
1400Hm weiter unten in St. Maria kam ich endlich einmal dazu, in der Schweiz Käse zu essen. Aber nur 2 Scheiben plus zwei Müsliriegel. Mehr bekam ich nicht herunter. Wieder allgemeines Umziehen, obwohl die Sonne sich soeben für den Rest des Tages verabschiedete.
Der Veranstalter Max Wassermann warnte früh noch: Unterschätzt mir den Ofenpaß nicht! Recht hatte er. Die scheinbar schräge Wiese hatte meist oft 8-10%, man merkte die Steigung nur in den Beinen. Obendrein blies ein kalter Gegenwind. 13km lang ging die Quälerei. Nichts mehr von Spritzigkeit, die war am Stilfser Joch geblieben. Meine Geschwindigkeit sank oft auf 7-8km/h. Vor allem sah ich den Paß nicht und wußte nicht, was noch kommt. Mühsam stampfte ich den Berg hoch und mußte mehrmals pausieren. Mir war manchmal zum Umfallen zumute. Aber wenn ich die anderen ansah - denen ging es offensichtlich nicht besser. Einige wurde von "Begleitautos" begrüßt, blieben zurück und waren später plötzlich wieder da. Wir haben da so unseren Verdacht gehabt ...
Am Ofenpaß wurde mir klar, warum es besser ist, den Giro nicht allein zu fahren. Man sieht das Leiden anderer Menschen und steht sein eigenes damit besser durch.
Oben auf dem Paß scharfer Wind und Hundekälte. 93km, 3100Hm! So etwas Steiles bin ich noch nie gefahren! Ein anderer sagte: Ja, über 3000 sind's bei mir auch schon. Also kein Meßfehler.
Nun brauchte ich meinen Rucksack (übrigens, soviele Dreifachkettenblätter an Rennrädern und Rucksäcke wie am Sonntag sah ich noch nie; die Harten fuhren selbstredend zweifach mit kurzen Hosen). Ich zog sogar noch die Überschuh an. Es war kein Fehler. Andere hatten sie längst schon an.
Der Sinn für die Landschaft bei der Abfahrt war bei mir leicht getrübt. Es war kalt, windig, wolkig, und ich mußte aufpassen. Plötzlich ging es wieder hoch, einige km lang, mit bis zu 8%. Das tat weh. Von wegen "ins Tal abfahren". Ist aber auch nicht Neues in den Alpen ...
In diesem Sinne hatte auch die lange Abfahrt durch das Inntal bis Martina ein paar Extras eingebaut. Ich fand eine schnelle Gruppe, mit der ich trotz des recht starken Gegenwindes noch bis zu 35km/h abfahren konnte. Bis die Gruppe Pause machte, leider.
Ich traf das weißhaarige Phänomen aus Aachen wieder, das Paris-Brest-Paris fährt und bei jedem schweren Supercup zu sehen ist (Rhön, Erzgebirge ...). Wie schon vor zwei Jahren erklärte er mir, daß er mal langsam auf die B-Strecke wechseln sollte ...
Doch das war noch gar nichts. Im Inntal sah ich einen Fahrer vor mir, bei dem irgendetwas seltsam schien. Der rechte Schuh sah aus wie ganz aus Plastik, und der Kniestrumpf darüber war mit zwei schwarzen Riemen festgeschnallt. Langsam wurde mir klar, daß ich hinter einem Beinamputierten hinterherfuhr. Er war ungefähr so alt wie ich und hatte einen schwarzen Bart. Vielleicht kennt ihn jemand. Obendrein hatte er eine rote Startnummer, fuhr also die große Strecke ... unglaublich ...
Nach der letzten Labe das Kompott, der "Wadenbeißerl" Norberthöhe - nochmal 400Hm mit 11 Kehren und 6-8%. Das lief inzwischen besser, ich fuhr wieder auf dem mittleren Blatt und mit zweistelliger Geschwindigkeit (also 10km/h :-). Danach folgte schon die Abfahrt nach Nauders. Ziemlich genau 10 Stunden benötigte ich und erreichte 19.5 Schnitt netto. Andere fahren schneller, aber ich hatte es im Limit geschafft und ein sehr schönes Trikot bekommen. Der Schocker war der Höhenmesser: 3750Hm! Das kommt aber hin. Meine steilste Tour bisher, und ich habe erschreckend wenig essen können: 2-3 Müsliriegel, 2 Bananen oder weniger, einen Haps Kuchen - das war's dann wohl schon. Die Fettverbrennung feierte Hoch-Zeit. Aber mir ging es früh nicht so gut, wahrscheinlich hatte ich zu schlecht geschlafen in den letzten Tagen (auch ich litt etwas unter 2700m Höhe nachts, doch das war das kleinere Übel).
Unser Nobbi war der Schnellste von uns mit 22 Schnitt, Mr. Longhaar hatte wohl 21. OK, an solchen Riesenbergen habe ich immer mehr zu tun als andere. Trotzdem meinte Mr. Longhaar, daß ein 28er Ritzel schon wegen der Tretfrequenz sinnvoll wäre. Außerdem hat er mit einem Knie seit Ewigkeiten Probleme. Der schnellere Nobbi fährt übrigens dreifach :-)
Doch trotz der Quälerei war es streckenweise phantastisch; ich war richtig glücklich, so etwas Schönes mitfahren zu können. Da ist die Platzierung Nebensache. Wer's braucht. Nicht beim ersten Mal.
Mme. Rothaar fuhr die kurze Strecke und bekam beinahe einen Hungerast, dafür mehr Sonne. Sie fährt dieses Jahr recht stark.
Weil es hinterher wieder nur das Gleiche wie gestern zu Wucherpreisen gab, kochte ich mir lieber selbst Makkaroni.
Nobbi düste ab, während die anderen beiden nach so einer Tour nicht gleich die lange Autofahrt nach Dresden auf sich nehmen wollten. Ich plante je nach Selbstwertgefühl eine Rekom-Tour und dachte ursprünglich an das Kaunertal. Aber der irre Verkehr, noch dazu durch viele Tunnel und Galerien, hinunter nach Pfunds schreckte mich ab. Und, ehrlich gesagt, die beiden Angaben "14%" und "18%" auf der Autokarte. Trotz "getrimmter Dreifachkurbel" mit fast 1:1-Übersetzung.
Mme. Rothaar und Mr. Longhaar hatten eine viel bessere Idee: Einmal rund um den Reschensee. "Leichte Biketour" stand im Fremdenverkehrsamt geschrieben. Hm, da könnte man gleich das Langtauferer Tal mitnehmen ... obwohl, dort las ich "12%" und "15%" auf der Autokarte ...
Zum Reschenpaß fährt man am besten so lange wie möglich den asphaltierten Weg an der Seilbahnstation vorbei, damit erspart man sich den teils heftigen Verkehr.
Diesmal blies der Wind vom Reschenpaß herunter. Wie erwartet bildeten sich sogar schon Schaumkronen auf dem See. Aber wir fuhren sehr langsam (ich hätte es gern ein wenig schneller gehabt; als ich ein Pärchen vor uns erreichte - viel sportlicher als ich aussehend - mußte ich wieder warten). Die Tour entwickelte sich unerwartet zu einem Geheimtipp. Landschaftlich ein Leckerbissen und kaum Verkehr auf dem westlichen Seeufer. Allerdings - da kam plötzlich so eine Nohö dazwischen, das heißt eine halbe Norberthöhe: 200Hm mit 8-11% und zwei Kehren. Es ging mittlerweile recht gut. Ich mußte bloß aufpassen, daß die Beine nicht sauer wurden, doch 10-12km/h waren problemlos drin.
Das Langtauferer Tal wurde aber noch viel schöner. Die 12% sind wohl im vorderen Teil in einem längeren Berg zu finden, der sich allerdings relativ gut fuhr. Nur Mr. Longhaar war irgendwie verschlissen, ich sah immer zuerst den käfergrünen Helm von Mme. Rothaar hinten blinken. Die 15% am Ende gibt's einfach nicht, dafür imposante Blicke auf die Weißkugel (dritthöchster Berg Österreichs) und die Weißseespitze, beide mit vielen Gletschern und schroffen Felsen.
Und es gibt beispielsweise den Gasthof Alpenfrieden mit erstklassigen Hirtenmakkaroni oder auch einem Omelett, das ich nicht schaffte. Und eine traumhafte Abfahrt danach. Zur Etschquelle sind wir ebenfalls noch hochgefahren und haben jeder 3 Schluck aus dem Jungbrunnen genommen. Nix für Lookpedalträger, die letzten 5 Minuten heißt es zu Fuß gehen.
So kamen doch noch ca. 50km und 1000Hm zusammen. Mir ging's schon wieder gut, erstaunlich gut (weh tat ohnehin nur ein Stückchen Haut im Schritt, was nicht normal ist). Nachmittags konnten wir im Fernsehen erleben, wie gut es Armstrong im strömenden Regen bei seiner phänomenalen Fahrt am viertem Paß erging ...
Wenig später strömte der Regen auch bei uns.
Der Regen hörte nicht mehr auf, und früh lag ab 1700m Schnee. Wie im Radio gemeldet, waren für Timmelsjoch und Stilfser Joch Schneeketten Pflicht. Mme. Rothaar war beeindruckt. Tja, Glück muß der Mensch haben. Nördlich von Garmisch hörte sogar noch der Dauerregen auf ...
Meine beiden Mitfahrer haben sich wohl mit dem Alpenvirus infiziert. Mme. Rothaar ist allergisch gegen Wandern, doch ich habe ihr erklärt, daß die Tschengsler Hochwand keine Wanderung war, sondern eine Hochtour und doch eine ziemliche Leistung. Sie waren offensichtlich beide schwer beeindruckt von den Alpen. Schön, so etwas bei anderen mitzuerleben, was einem selbst dauernd passiert.
Trotz aller Schinderei, die diese Tour für mich beim ersten Mal bedeutete: Falls ich nicht mehr bringen sollte, würde ich bei dieser bleiben. 80DM Startgeld sind ein bißchen happig für die gebotenen Dienstleistungen (ich vergleiche das immer mit Lienz), in der Schweiz ist man manchmal auf sich gestellt (wenig Markierungen, obwohl man sich eigentlich nicht verfahren kann), aber die Strecke und die Teilnehmer entschädigen für alles.