Megafeuer - ist die Zukunft schon da? (Update 16.2.24)

Reinhard Wobst (Zwinki), zwinki2@gmx.de
@(#) Mar 07 2024, 16:42:09

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Wohl jeder weiß von den verheerenden Waldbränden in Kalifornien und neuerdings auch in Kanada, Griechenland, Portugal und Spanien. Das sind keine Brände mehr, wie wir sie uns vorstellen. In der Veröffentlichung https://www.researchgate.net/publication/329240056_Forest_Fires_-_Sparking_firesmart_policies_in_the_EU von 2018 heißt es in Kapitel 2 auf Seite 12 (eigene Übersetzung):

Diese Art von Waldbränden zeichnet sich durch extremes Verhalten aus: rasante Ausbreitung, intensives Brennen, weitreichendes Flugfeuer und nicht vorhersehbare Richtung der Ausbreitung.

Solche Brände, auch Megafeuer genannt, stellen die Feuerwehr vor unlösbare Aufgaben. Der Schwerpunkt muss von der Bekämpfung auf die Vorbeugung wandern. Dazu gibt es bereits einige Literatur im Netz.

Warum das auch für uns hier ein Thema ist, was man für Fehler gemacht hat und was man tun könnte - darauf geht der folgende Artikel ein.

Inhalt

Was ist ein Megafeuer?  
Kann man ein Megafeuer bekämpfen?  
War der Brand 2022 in Tschechien ein Megafeuer?  
Was passiert nach einem Megafeuer?  
Das Feuerparadoxon  
Situation bei uns  
Was tun?

Was ist ein Megafeuer?

Dieser Begriff ist nicht klar definiert. In https://sciodoo.de/was-ist-ein-megafeuer-bzw-megabrand-und-wie-entsteht-es/ steht:

Auf jeden Fall ist es ein Feuer, dass zu groß geworden ist, um es mit klassischen Löschmethoden bekämpfen zu können. In der Regel wüten Megafeuer so lange, bis sie entweder durch den Mangel an brennbarem Material erlöschen oder durch einsetzende starke Niederschläge von der Natur selbst gelöscht werden.

Die Angaben zur Brandausbreitung stimmen aber so schon nicht mehr: In Treuenbrietzen sprang ein Feuer 2018 über eine breite Straße in die Kronen auf der anderen Seite und breitete sich dort durch Flugfeuer aus, ohne Bodenbrand.
In jedem Feuerwehr-Lehrbuch kann man nachlesen, dass so etwas nicht möglich ist.
Aber wir haben Klimawandel. Und das war weder Kalifornien, noch Griechenland, noch ein portugiesischer Eukalyptuswald. Sondern Brandenburg.

Ein weiteres Zitat aus dieser Seite:

Die Brände begannen Mitte August 2020 und wüteten bis Mitte November. Es handelt sich um die größten Brände in der Geschichte Kaliforniens, für die es verlässliche Aufzeichnungen gibt. Selbst mehr als 15.000 Feuerwehrleuten, die von US Marines unterstützt wurden, gelang es nicht, das Megafeuer unter Kontrolle zu bringen. Zahlreiche Menschen und Tiere starben. Dem Megafeuer ging eine Hitzewelle, kombiniert mit einer Dürre, voraus.
Die Experten sind sich einig, dass die Entstehung von Megafeuern durch den Klimawechsel begünstigt wird. Fünf der sechs jemals in Kalifornien registrierten Feuer brannten in den letzten Jahren.

Die englische Wikipedia meint, dass in Europa schon Brände mit über 1000ha dazu zählen können. Wichtiger ist aber wohl die Art des Brandes: Ein Feuersturm. Das Feuer erzeugt sein eigenes Wetter (sogar Gewitter). Totale Vernichtung der Vegetation. Weder aus der Luft noch am Boden ist ein Eingreifen möglich.

Die beste mir bekannte, eindrucksvolle Seite mit vielen Bildern und Kurzfilmen dazu ist https://sondainternacional.com/en/proyectos/mega-fires-beyond-extinction/fuelling-a-mega-fire/ Dahinter steckt eine aufwändige Recherchearbeit mit zahllosen Interviews. Mein Tipp!

Wie sehr sich Megafeuer von "herkömmlichen Waldbränden" unterscheiden, ist kann man in einem NZZ-Artikel nachlesen, über kalifornische Brände im Jahr 2015:

So würden etwa 98 Prozent der Feuer gelöscht, bevor sie eine Fläche von 120 Hektar erreichten. Die nur 2 Prozent außer Kontrolle geratenen Feuer verursachten jedoch 97 Prozent der Kosten.

Kann man ein Megafeuer bekämpfen?

Die Antwort lautet leider übereinstimmend: Nein.
Es kann nicht mit herkömmlichen Methoden gelöscht werden. Es geht durch Niederschläge und/oder Mangel an Brandmaterial ein.

Man wird versuchen, Sperren zu errichten: vernässte Streifen, Schneisen. Bei extremem Flugfeuer ist das natürlich wenig wirksam.

Ich las irgendwo, dass man im Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens sogar Bomben von Jagdfliegern abwarf und damit ein Feuer zeitweise ausblies. Klingt unwahrscheinlich, hat aber vermutlich erlaubt, dass sich die Einsatzkräfte dem Brandgebiet nähern und am Boden bekämpfen konnten.

War der Brand 2022 in Tschechien ein Megafeuer?

Um das einigermaßen sicher zu klären, fehlen mir Detailkenntnisse. Fest steht aber:

Was passiert nach einem Megafeuer?

Das ist noch eine offene Frage. Folgende Dinge wissen wir bereits:

Fakt ist, dass nach einem Megafeuer ein völlig anderer Biotop entstehen kann, vielleicht auch kein Wald mehr. Dazu "reicht es", wenn Adlerfarn überlebt und den Boden für Jahrzehnte überwuchert.

Das Feuerparadoxon

Bisher beschrieb ich, was ein Megafeuer ist, wie es abläuft und was danach kommen kann. Aber kann man es verhindern? Es klingt sehr paradox:

Je mehr man Waldbrände bekämpft, desto heftiger werden sie.

Das ist natürlich nicht ganz wörtlich zu nehmen. Aber der Hintergrund ist sehr ernst. Dazu noch ein Zitat aus dem obigen NZZ-Artikel:

Vor der Besiedlung des Westens der USA durch die Europäer war die jährlich von Feuer heimgesuchte Fläche grösser als heute. Im Vergleich zu den gegenwärtigen Feuersbrünsten waren es in der Regel aber kleinere und weniger intensive Brände. ...
Die Unterdrückung des Feuers führte dazu, dass sich immer mehr Brandgut in den Wäldern ansammelte, der Klimawandel mit mehr Dürren tat sein Übriges. Das Phänomen wird denn auch als Feuerparadox bezeichnet.

Verglichen hierzu auch meine News vom 21.4.23: "Der zweite Brand ist oft heftiger als der erste."

Es ist bekannt, dass die Aborigines in Australien Buschfeuer legten, um das Unterholz zu vernichten und spätere Brände so klein zu halten. Was nach dem Verbot solcher Aktionen herauskam, ist bekannt. Auch die Indianer in den USA agierten so.

Noch interessanter ist ein Detail aus dem obigen Artikel auf sondainternacional.com: In Spanien verließen Bauern ihre wenig fruchtbaren Äcker und zogen in die Städte. Ebenso rechnete sich die Forstwirtschaft oft nicht mehr - man ließ die Natur Natur sein (kommt das irgendjemanden irgendwie bekannt vor?).
In der Folge entstand immer mehr Unterholz. Die nun auftretenden Megafeuer waren nicht mehr zu beherrschen und richteten unvorstellbare Schäden an. Es sind also nicht nur die leicht entflammbaren Eukalyptushaine schuld.
Bedenklich dazu ein weiterer Abschnitt aus dem obigen NZZ-Artikel:

... Der vielleicht wichtigste Grund ist aber, dass die Gelder im Katastrophenfall üppig fliessen, während Massnahmen und Projekte für ein vorausschauendes Feuermanagement über die ordentlichen Budgets finanziert werden müssen.

Auch das dürfte uns irgendwie bekannt vorkommen.

Der Artikel auf sondainternacional.com gibt zudem noch an, dass 2022 in Spanien 42% des verbrannten Landes innerhalb der sog. Natura 2000 - Gebiete lagen, in Portugal 37%. Man ermittelte, das die Brände innerhalb dieser Gebiete doppelt so zerstörerisch waren wie die außerhalb.

Situation bei uns

In meinen News und noch mehr in der interaktiven Karte finden sich endlos viele Beispiele dafür, welch irre Brandlast im hinteren Nationalpark lauert, trotz eifrigen Freisägens von Wegen durch den Nationalpark. Es ist einfach unmöglich, die ganzen freiliegenden toten Fichten zu entästen, die noch Jahre bis Jahrzehnte so trocken bleiben werden. Mich graust es bei Bildern wie
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am Lorenzweg (Nähe Großer Lorenzstein), derzeit unerreichbar für die Feuerwehr (wir zählten 170 umgefallene Bäume auf dem Lorenzweg): Dort ist in hochentzündlichem, trockenen Adlerfarn prima brennbares Feinreisig nebst dickeren Stämmen versteckt (News vom 1.11.23). Eine Zigarette im trockenen Gras kann reichen.

Der Adlerfarn ist nicht nur für die Waldentwicklung so kritisch (News vom 12.9.23), sondern er bildet auch dicke Schichten abgestorbener Pflanzen auf dem Boden, die ebenso gut brennen. In Wales soll es jährlich 3000-4000 Brände (u.a.?) deswegen geben - https://www.northwalespioneer.co.uk/news/17542178.gorse-bracken-fires-prompt-advice-burning-season-ends/ zeigt für Englischkundige, dass daran etwas sein muss.

Viel mehr Sorgen macht mir aber das Infrarot-Luftbild des böhmischen Nationalparks:
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Die grauen Gebiete sind tote Bäume, die roten leben noch (2021, wohlgemerkt). Man könnte fast meinen, es hätte im "lebendigeren" Gebiet gebrannt und nicht in dem, wo das meiste Totholz zu finden ist. Schuld daran ist natürlich nicht der alternative Fakt, dass Totholz ja nass ist und nicht brennt (wie 2022 von gewisser Seite zu hören), sondern die Windrichtung: Der Wind kam am ersten Tag von Südost und trieb die Funken zu uns, danach drehte er auf Nordwest und zum Glück nicht auf West.

Wir werden noch erkunden, ob in diesem riesigen grauen Gebiet die Einsatzwege wirklich größtenteils unzugänglich sind und darüber hier per Update berichten. Aber selbst wenn alles OK ist: Die drohende Gefahr ist derart groß, dass man als Hinterhermsdorfer (der Ort liegt mitten in der großen weißen "Ausbeulung" rechts) gelegentlich eine Baldriantablette gebrauchen könnte.

Was tun?

Das ist die Gretchenfrage, auf die es keine befriedigende Antwort gibt. In den News vom 18.1.24 habe ich aufgezählt, dass bereits wirklich viel unternommen wurde. Aber fast alles, was ich unter "noch tun" aufzähle, befördert nur das Feuerparadoxon. Die Brandlast bleibt.

Zumindest muss die Gefahr anerkannt werden - weg vom üblichen Denken "Feuer werden gelöscht, wir brauchen mehr Ausrüstung". Vielleicht entwickelt die Feuerwehr eine neue Strategie, die es erlaubt, an einzelnen Stellen Feinreisig brennen zu lassen, wenn es schon einmal brennt. Die Organisation @fire, die beim großen Brand hier Gegenfeuer legte, kann da vielleicht beraten. Es wird schrille Stimmen des Protestes dagegen geben, die jedoch schwach erscheinen dürften gegenüber den Entsetzensschreien beim nächsten Großbrand.

Auf lange Sicht kann eigentlich nur Waldumbau gefördert werden, auch und vor allem in der Kernzone. Aber das ist ja ein No-go.

Update vom 16.2.24: Unsere Erkenntnisse über die Situation in unzugänglichen, totholzreichen Teilen des böhmischen Nationalparks findet man in diesen News vom 14.2.24. Es lohnt sich!

Danksagung: Für inhaltsreiche Informationen und Diskussionen danke ich besonders Alexander Held vom Institut EFI sowie zahlreichen anderen, hier nicht genannten Mitstreitern.