Supercup Oberlausitz am 23.6.2001

Supercup Oberlausitz am 23.6.2001: 230km, 2300Hm?? 3500Hm!

Erlebt und aufgeschrieben von Zwinki (zwinki2 @ gmx . de)

Vorbemerkung (leider notwendig)

Vor zwei Jahren gab es in Seifhennersdorf (Oberlausitz) einen Supercup, der trotz seiner abgeschiedenen Lage die Chance gehabt hätte, einen Ehrenplatz zu bekommen: Es war der einzige grenzüberschreitende (Deutschland und Tschechien), landschaftlich herausragend, sportlich sehr anspruchsvoll und mit einer sehr interessanten Streckenführung. Leider wurde diese Chance durch katastrophale Fehler bei der Organisation vertan - nicht einmal Leitungswasser gab es am KP3 bei Riesenhitze zu trinken, obwohl der KP gegenüber einer Gaststätte lag, die KPe lagen teilweise unmöglich, die Streckenwahl war total unflexibel und berücksichtigte nicht den Zustand einiger Straßen in Tschechien. Leider zeigte sich der Organisator uneinsichtig und beschimpfte im Amtsblatt sogar die Radfahrer, daß sie "ein Rennen daraus machen wollten". Nachzulesen ist die ganze unerfreuliche Geschichte auf Hernold's Radseiten unter Marathondatenbank --> Oberlausitz-Böhmischer Radmarathon.

Diese Vorrede ist leider notwendig, um vom Supercup 2001 zu erzählen. Die Streckenführung wurde komplett geändert. Es ging nicht mehr nach Tschechien (und es wurde wieder eindringlich vor den katastrophalen Straßen dort gewarnt, was mir sehr weh tut, denn es stimmt überhaupt nicht, und die Schuld für den verunglückten Supercup sollte man nicht bei den Tschechen suchen). Diesmal hatte sich aber der BDR offensichtlich eingeschaltet. Man merkte es daran, daß z.B. der Kontrollpunkt mit dem Mittagessen von Zittau (wo es dann in die langen Berge geht) nach Reichenbach verlegt wurde - eigentlich eine Selbstverständlichkeit, keine langen Berge mit vollem Magen anzugehen ...

Ich wollte trotzdem teilnehmen, denn die Ecke ist sehr schön, ich kannte meinen "Pappenheimer", und lange Anreisen zu Supercups sind sowieso nicht mein Ding: Seifhennersdorf wäre theoretisch von Dresden aus sogar mit dem Rad zu erreichen. Ich zog aus vielen Gründen den Zug vor :-) Im Gepäck befanden sich diesmal Brausetabletten und einige Notriegel. Aber ich brauchte sie nicht.

Ausschreibung

Die neue Strecke war mir in ziemlichen Teilen bekannt. Laut Ausschreibung sollte sie 230km lang sein und 2300Hm haben, was für einen Supercup nicht so viel ist. Ein wenig wunderte ich mich schon, daß es nicht mehr Höhenmeter sein sollen. Wer die Oberlausitz kennt, weiß sofort, was ich meine - sie ist eine einzige Aneinanderreihung von Wellen und Bergen, in der Regel sogar mit relativ scharfen Anstiegen (7-12%, teilweise deutlich darüber). Offenbar waren die ersten 40km und dann der Abschnitt von Lawalde bis Görlitz flach. Das mußte eine clevere Route sein!

Der Vorabend

Bei der Anreise mit dem Zug goß es wie aus Kannen. Mir wurde Angst und Bange, denn der Schaffner erzählte mir überraschend etwas von Schienenersatzverkehr, und bis zu 10km Radtour zum Quartier standen auch noch an. Wenn ich nur erst einmal mit Bus und Rennrad mitkomme ... Der Bus kam nicht gleich, alle wurden etwas naß: Spaß muß sein mit dem Unternehmen Zukunft. Aber es war Wetterbesserung angesagt. Fragte sich nur, wann und wo und auf welchen Ausgangszustand sich das bezog.

Ich hatte Glück und kam trocken ins Kindererholungslager "Querxenland", von dem ich schon beim o.g. Bericht schwärmte. Diesmal hauste ich in einem Bungalow in der Räubersiedlung, passend zum Vollbart :-)

Ich war gespannt, wieviele Teilnehmer sich dieses Jahr fanden. Es sollen etwa 360 gewesen sein. Im Festzelt (leider wieder mit lauter Musik, obwohl man sich doch unterhalten will) traf ich sogar einige Bekannte: Das bekannte "Eichhörnchen" aus Berlin (sozusagen ein Marathon-Bummler), den guten Bekannten Bernd aus Hamburg und den einzigen Schwarzen, den ich bisher auf einem Rennrad sah. Mme. Rothaar und Mr.Longhaar aus meinem engsten Bekanntenkreis kamen auch und wußten mehr über den Schwarzen. Ich traf ihn im Herbst 1998 beim Marathon in Radis. Ich war damals relativ schnell (196km mit 28 Schnitt in leicht welligem Gelände), aber der Schwarze fuhr mir schon ziemlich zu Anfang davon. Warum auch nicht?

Darum! Er ist nämlich ... 75 Jahre alt. Ich hatte ihn vor 2.5 Jahren eher auf 55 geschätzt; jetzt, beim Betrachten seiner grauen Bartstoppeln, vielleicht auf 60 ... Er heißt Jaques, kommt aus Frankfurt/Main und ist eigentlich ein Franzose, der in Deutschland "hängenblieb". Soviel zum Formalen.

Wie vor 2 Jahren machte alles zunächst ein tollen Eindruck - das Quartier, die Helfer, die ganze Organisation. Es stand sogar ein Insider den ganzen Abend mit Zeigestock vor einer großen Landkarte und erklärte die Route. Prima. Auf meine Frage, wie sie die 2300Hm gemessen hätten, kam allerdings eine überaus schwammige Antwort: Das hätte mal jemand aus Teilstücken für eine ähnliche Tour berechnet, und "es hat sich nichts wesentlich geändert". Also doch nicht so prima. Es werden wohl ein paar mehr Höhenmeter, befürchtete ich. Und wo sind die Rollstrecken? "Ab Lawalde geht es erst einmal nur 'runter." Ja, jemand hatte sogar erklärt, spätestens nach Pielitz oder Hochkirch sei alles gelaufen. Ich habe selten eine unverschämtere Untertreibung gehört. Ein kurzer Blick auf das (sehr unvollständige und stark vereinfachte) Höhenprofil im Flyer hätte genügt, um ihn der Lügen zu strafen. Zum Glück glaubte es anscheinend kaum jemand ...

Nicht ordentlich beantragte Baustellen sollen in letzter Minute noch die Streckenführung verändert haben. Sagte uns der Organisator Metzke am Abend. Kann schon sein - es geht in dieser Branche ja oft chaotisch zu. Nur - warum haben andere RTFs hier nicht dieses Problem? Oder vielmehr doch, aber warum merken es die Fahrer nicht?

Aber es geht den Mönchswalder Berg von Norden hoch. Damit hatte ich nicht gerechnet. Dann stimmt das also mit den angegebenen 20%. Von Süden ist der Berg einfacher (bis 15%), doch dann wäre die Abfahrt im Pulk zu gefährlich. Richtig.

Trotzdem schlief ich ruhig.

Start

Das Frühstück war sehr reichlich mit toller Auswahl. Ich bedauerte sehr, nicht von allem probieren zu können. Zu meiner Überraschung traf ich Eberhard, das Schnarchwunder von der Fernfahrt Berlin-Neapel 2000. Ihm waren aber 230km zuviel, er wollte auf ca. 180km abkürzen (es fehlte eine 150km-Strecke im Angebot). Eberhard dürfte mittlerweile 65 Jahre alt sein. Mann, was bin ich hier für ein junger Spund mit meinen noch 48 Lenzen :-)

6.00 Uhr sollte Start sein, 5.45 Uhr brüllte jemand ganz laut: SCHEIßE!! Oh, dachte ich, Platten/Speichenriß/Freilauf kaputt/Lenker gebrochen/... Bevor ich weiterdenken konnte, hörte ich es selbst: Ein gleichmäßiges, starkes Rauschen draußen. Der Wetter-Ausganszustand für die angekündigte Verbesserung war soeben erreicht worden.

Aber 6.00 ging es trotzdem bei Trockenheit los. Die Wolken hingen grau und schwer über uns, ein starker Wind blies von Westen (wo wir zunächst hinfuhren). Die Berge hingen in den Wolken.

Ein Lob zunächst für die Streckenführung - die gefährlichen Bundesstraßen mit ziemlich rücksichtslosen Autofahrern umschifften wir konsequent. Die Zittauer Autofahrer wissen offenbar nicht, wie man Radfahrer überholt; mehrere Male hielten sie zwar einen großen Seitenabstand ein, aber unmittelbar vor scharfen Bergkuppen, im Gottvertrauen darauf, daß kein Gegenverkehr kommt ...

Trotzdem gab es nach 10km einen Sturz. Ein Fahrer lag auf der Straße, doch anscheinend (hoffentlich!) war er nicht sehr verletzt. Jedenfalls redete er noch ganz gefaßt - im Gegensatz zu einer mitfahrenden Frau, die laut schrie und jammerte und von ihrem Rennrad zu ihm hinrannte. Ein anderer Fahrer holte sofort über Handy Hilfe. Andere Teilnehmer, auch ich, fuhren danach deutlich vorsichtiger weiter. Es blieb leider nicht der einzige Unfall - zwei böse Stürze muß es an einem Bahnübergang gegeben haben, bei einem dritten soll sogar ein Helm zersplittert sein, einen weiteren gestürzten Fahrer wollten sie schon am KP1 nach Hause schicken. Aber ich kenne keine näheren Umstände. Dem Organisator ist wohl nichts anzulasten, eher dem Wetter und dem Fahrverhalten.

Doch vorerst ging es tatsächlich viel bergab, die ersten 40km konnte man ganz gut rollen. Kleine und scharfe Wellen sind hier ja normal, insgesamt ging es aber leicht bergab. Zwei Fahrer vom RV Niesky zischten immer wieder vorbei. Mir kam es vor, als würden sie drängeln. Vielleicht tue ich ihnen Unrecht an. Sie wirkten jedenfalls wie die "jungen Wilden".

Der Mönchswalder Berg

Dann Obergurig. Der Mönchswalder Berg ging los. "15%" stand am Schild. Ein Eingeborener sagte gleich: "Das ist sanft untertrieben". Nach der kritischen Linkskurve zeigte meine Libelle tatsächlich 20% an, auch das Fahrgefühl war ganz danach. Ich war sehr darauf aus, nicht an die Grenze zu gehen, denn die "richtigen" Berge kamen nach Plan ganz am Ende. Eine Übersetzung von 26:24 ist ein Segen für solche Rampen. Nach kurzer Strecke - vielleicht 50m - "flachte" der Berg auf 18% ab und blieb eine Weile so. Die Fahrer blieben aber nicht so. Der eine vom RV Niesky schob. Der andere stand weiter oben und hing mit dem Kopf verzweifelt auf dem Lenker. Andere nutzten die volle Straßenbreite oder hielten ebenfalls an. Ich würde hier allerdings nicht von Kondition sprechen, sondern von angemessener Übersetzung - die 20% waren angekündigt. Weiter oben waren es dann eher 15%. Wie mir Mr. Longhaar berichtete, schoben von einer 5 Mann starken Gruppe 4. Bei mir nur einer. Offenbar war ich noch schnell genug, um mich unteren stärkeren Fahrern aufzuhalten :-)

Mir ging es oben auf dem Sattel (480m?) noch ganz gut. Beim Aufsetzen zerbrach meine Brille. Schade, hatte sie beim Sturz im Dezember also doch etwas abbekommen; das eine Glas fiel seitdem ohnehin verdächtig schnell heraus. Ja, schade um die Brille, doch für diesen Tag sollte ich sie ohnehin nicht mehr brauchen.

Es ging bergab, bergan, dann ersetzte ein Streckenposten die fehlende Markierung - und dann ging der Regen los und sollte fortan nicht mehr aufhören. Die Temperatur betrug 12 Grad, und auch der Wind blies in unvermittelter Stärke den ganzen Tag über.

Erst nach 50km der erste Kontrollpunkt. Naja, das überrascht nur wenig - vor zwei Jahren war es noch viel schlimmer. Der KP soll verschoben worden sein, weil es sonst zum 2.KP auch wieder 50km gewesen wären. KP-Design Copyright by Metzke.

Aber die Verpflegung war generell sehr gut - eine Bäckerei sponsorte nämlich mit. Da gab es: Quarkkuchen, Mohnkuchen, Zuckerkuchen, Pflaumenkuchen, Kirschkuchen (habe ich was vergessen?) und später sogar Erdbeertorte. Nur als Getränk blieb am KP1 lediglich Mineralwasser - die Apfelschorle ging angeblich "weg wie warme Semmeln." Bei dieser Kälte. Und mit 27.5 Schnitt bis dorthin konnte ich nicht gerade unter den letzten gewesen sein. Rechnen lernen!

Huckelei

Die weitere Strecke kannte ich gut - insbesondere der Berg vor Mehlteuer mit seinem 17%-Schild dürfte demoralisiert haben. In Wirklichkeit sind es ganz kurz 15%, aber lange 10-12% ... Der scharfe Wind blies oft von hinten, erst bei 40km/h Fahrgeschwindigkeit wurde es windstill. Einer der Nieskyer hatte tüchtig zu kämpfen am Berg. Kann sein, sie kamen sogar lange nach mir an. Wie man sich täuschen kann: Der erste Eindruck der beiden war unheimlich stark. Nur deswegen erzähle ich das. (Der Eindruck, den ich mache, ist bestimmt nicht so stark!)

Eine schmale, einsame Straße führte nach Plotzen noch einmal lange bergan (aber nur ca. 7%), und dann sollte es ja "nur noch bergab gehen". Weiter westlich gibt es tatsächlich eine lange Abfahrt. Auf unserer Strecke nicht. Die erste steile "Abfahrt" maß zwar 7%, doch ein kleiner Vorzeichenfehler hatte sich eingeschlichen: Es ging nämlich bergan. Alle Berge und Berglein hatten so 7-10% und folgten dicht aufeinander - so, wie ich die Lausitz kenne. Und dazu nieselte und stürmte es schön dicht und gleichmäßig. Schön auch, daß die kaputte Brille schon im Rucksack war, ich hätte sowieso nichts mit ihr anfangen können :-)

Die Kontrollpunkte lagen sehr eigenwillig. Der erste nach 50km, dann gab es wieder welche mit 15 oder 30km Abstand. Insgesamt sieben, was für mich ein persönlicher Rekord ist. Aber die Verpflegung war überall sehr gut. Außer dem besungenen Kuchen gab es selbstredend auch Bananen, Äpfel, viele Sorten Riegel, die obligatorischen Fettschnitten (nach 170km bei diesem Wetter gar nicht so verkehrt!), auch mal eine große Palette von Baguette-Schnittchen mit Käse oder Wurst, mit Paprika oder Tomate belegt - sehr verlockend und appetitlich. Auch das Mittagessen war ein Wahlessen (wie das Abendbrot vorher, wo man sogar reichlich Nachschlag bekam, und das inklusive Salat für 7 DM). Die Frauen erklärten, sie stünden mit ihren Nudeln schon seit 8.00 im Regen da. Wenn das stimmt, konnten auch sie sehr schlecht rechnen. Wie andere eben mit KP-Abständen und Höhenmetern.

So schmackhaft das Mittagessen auch war: Gerade in Reichenbach regnete es unangenehm dicht, und der Wind knallte uns die Zeltwand laut und heftig um die Ohren. Ein kriminelles Wetter!

Die Durchfahrt durch Zittau war wie angekündigt abenteuerlich, weil dort die Baustellen ähnlich abenteuerlich unvermutet entstehen. Die einzige sinnvolle Weiterfahrt nach dem KP bestand offenbar darin, das Fahrrad durch einen Durchschlupf für Fußgänger auf die nächste Straße zu tragen. Aber, und hier muß ich sehr loben: Unzählige Streckenposten sorgten (wie überhaupt an vielen Stellen auf der gesamten Strecke) für reibungslose Orientierung. Schön. Schade, daß andernorts die Markierung wieder sehr zu wünschen übrig ließ. Doch hier trifft den Organisator vielleicht wenig Schuld, denn er erhielt eine Woche vorher nur 470 Schilder vom Warburg-Marathon. In der Lausitz gibt es so viele einzelne Ortschaften und kleine Straßen, daß diese Zahl einfach nicht ausreichte. Hier ist der BDR gefragt.

Schon in Reichenbach war klar: Mit 2300Hm kommen wir nicht ins Ziel, es waren auf meinem Höhenmesser (Huger EB833) bereits dort über 2000Hm. Und im Zittauer Gebirge dürften noch viele Hm zusammenkommen, allein der erste Anstieg hat mindestens 400Hm! Wenn hier überhaupt einer einen Höhenmesser verwendet hat, dann so einen, der die Lausitz-typischen Wellen ignoriert (die man übrigens fast nie mit Schwung nehmen kann, so kurz sind sie nun doch nicht) - und auf einer anderen Strecke :-( Auch die Mitfahrer stöhnten nicht nur über das Wetter. Es war viel schwerer als erwartet.

Nicht nach 200km wie angekündigt, sondern "schon" nach 165km begann der erste 5km lange Anstieg ins Zittauer Gebirge, in diesem Fall von Eichgraben nach Lückendorf. Das tat natürlich weh, obwohl es nie sehr steil wurde. Meist waren es wohl 6-7%, kaum mal 9%, so weit ich mich besinne. Wir überholten uns gegenseitig immer wieder. Früher hatten eigentlich mich die anderen überholt, aber langsam scheine ich es zu lernen. Muß auch sein, kommendes Wochenende will ich zum Dolomiti, er soll meine schwerste Bergtour dieses Jahr werden.

Wir stiegen bis auf 580m hoch, der Höhenmesser zeigte schon 2850m. "Das kommt hin," meinte ein Lausitzer (den Dialekt erkennt man sofort!), "es werden schon noch drei Riesen werden."

Wie angekündigt ging es dreimal längere Zeit hoch. Das war nicht unbedingt notwendig, doch man wollte es den Fahrern ja nicht zu leicht machen ;-) In Johnsdorf, nach vielleicht 175km, war ich mit meinem Tempo schon sehr unzufrieden. Ich zog mir wenigstens den Windstopper und Handschuh an. Bisher hatte ich sie noch nicht gebraucht, aber mein Ofen glühte bereits nicht mehr so richtig.

Die Lausche (793m) vor uns ragte steil auf, und oben in der grauen Suppe jagten die Wolken rasend schnell vorbei. Ein unheimlicher Anblick, deprimierend.

Das dicke Ende

In Großschönau der siebente und letzte KP. Ich konnte immer ganz gut essen und kam dadurch bisher relativ gut über die Runden. Klar war der Schnitt inzwischen im Keller - von 29.3 vor dem Mönchswalder Berg und 27.5 nach diesem Berg auf knapp 26, soviel ich noch weiß. Was Berge so alles ausmachen können ...

Dann wurde die Route chaotisch. Wir drehten uns ständig, fuhren mehrfach genau vom Ziel weg, hin und her und kamen nicht selten dicht an früheren Punkten der Tour vorbei. Manchmal hat das Sinn, z.B. um eine besonders schöne Ecke vorzuführen. Aber hier wurden vor allem Berge und Kilometer gesammelt, was das Zeug hielt. Wer da einen einzigen der seltenen Pfeile übersieht, verlor als Gebietsfremder völlig die Orientierung. Diese demoralisierende Dreherei hatten andere auch gemerkt. Übrigens ließen die Berge nicht nach - kurz, aber kraftvoll, bis zu 12%. Obendrein wurde jeder Meter, den wir dem Ziel wieder einmal näherkommen wollten, von diesem gewalttätigen, heulenden Wind ausgebremst. Ich mußte oft genug bergab noch mittreten, bevor es endlich steiler bergab ging. Nur meine Kraft reichte dazu nicht mehr recht.

Alle wurden irgendwie langsamer. Ich dachte erst: "Nun fällst Du vollkommen ab." Aber dann kam ich zu meiner Verwunderung anderen wieder näher. Ging einer austreten, kam bestimmt gleich ein Einzelkämpfer und rief: "Gute Idee, mache ich auch." Jeder Vorwand für eine Pause war willkommen, doch Pausen waren eigentlich nicht angesagt. Wir wollten nach Hause!

Manchmal hörte es sogar auf zu nieseln. Dann sorgte die Nässe von unten für ausreichend Abwechslung. Oder/und der Vordermann. Leider, leider haben wir durch das Wetter von der schönen Landschaft ganz wenig gesehen. Eigentlich war es so schon recht beeindruckend, doch es hätte viel toller werden können.

Im Ziel

Durch Streckenänderung (?) waren es nur 218km geworden. Nicht schlimm, aber mich regte ein bißchen auf, daß wider besseres Wissen noch 230km behauptet wurden. Na gut, davon geht die Welt nicht unter.

Aber eine Behauptung regt mich viel mehr auf: Die Höhenmeterangabe. Es wurden nach meiner Messung sage und schreibe 3500Hm (mit Ausgleich der Luftdruckveränderungen 3550Hm). Meinem Gerät traue ich mittlerweile doch. Und andere meinten: Hm, so war es doch auch. Bernd aus Hamburg schätzte erst und hörte dann das Ergebnis. Seine Meinung: 3500Hm :-) Bernd hat wohl 26 Marathons weg, ich habe heute den 36. gefahren (und schon viele über 3000Hm). Also, ein Gefühl für Höhenmeter ist bei uns beiden gewiß da :-)

Mme. Rothaar maß weniger, wohl 2600Hm (wobei wir auf anderen Strecken mit langen Bergen ganz gut überseinstimmen). Das kann keinesfalls stimmen. Ich denke, hier spielt das Meßverfahren eine sehr große Rolle. Bei diesen -zig Wellen und Hügeln mitteln viele Geräte diese anscheinend heraus. Diese kleinen Berge strengen aber trotzdem an, und wie! Letztendlich sagt schon die subjektive Einschätzung, daß es auf jeden Fall über als 3000Hm gewesen sein müssen.

Da nimmt sich vielleicht jemand diesen Supercup als ersten Marathon vor - auf der Hinfahrt traf ich so einen Kanditaten, der zu seinem Glück aber nicht erschien, wohl wegen des Wetters. Die Strecke ist lang, aber 2300Hm sind ja noch zu ertragen. Und dann wird solch ein fetter Brocken daraus. Das Schweinewetter kam noch hinzu - schon 2300Hm wären da hart genug gewesen. Solche Untertreibung ist einfach verantwortungslos, meinte auch Bernd.

Aber, und das entsetzt mich ebenso, Bernd sah viele Abkürzer. Es wurde massiv betrogen. Ich hatte bisher nie auf so etwas geachtet. Man betrügt sich doch nur selbst. Oder? Steht man besser im Verein da? So gesehen war die Strecke leider außerordentlich Abkürzer-freundlich. Eigentlich sollte die Strecke doch möglichst so gelegt sein, daß jeder mit allen Kontrollstempeln im wesentlichen die Tour gefahren haben muß.

Ich wartete nicht auf Mr.Longhaar (der erst gar nicht fahren wollte wegen einer leichten Sehnenscheidenentzündung im Handgelenk) und Mme. Rothaar, die auf solchen langen Strecken nicht so schnell ist. Was heißt nicht so schnell - ich war's ja auch nicht mit 24.6 Schnitt und 9:50 Stunden Gesamtfahrzeit. Aber ich war zufrieden. Der Form- und Härtetest für den Dolomiti war doch prima ausgefallen.

Ich packte meine Sachen, buckelte einen nicht zu schweren Rucksack auf und fuhr - welch eine Freude - den langen Berg hoch nach Neugersdorf zur Bahn ... Wie durch ein Wunder sprang ich schon 20.00 Uhr in die Badewanne.

Nachtrag

Mme.Rothaar und Mr.Longhaar kamen etwa 2 Stunden nach mir ins Ziel - gut, daß ich nicht gewartet hatte. Aber sie schafften es noch innerhalb der Kontrollzeit. Jaques fuhr auch die lange Strecke und benötigte sogar ca. 13 Stunden. Allerdings verlor er viel Zeit, weil er bei einem Unfall aufgehalten wurde. Und außerdem muß man das erst einmal schaffen mit 75 Jahren! Unglaublich! - Mme.Rothaar berichtete mir, daß alle "ziemlich jammerten" wegen der schweren Strecke und der unwirtlichen Bedingungen.

Selbstverständlich war am Sonntag schönes Wetter. Wegen McMurphy und der angekündigten Wetterbesserung, die doch endlich eintreten muß. Um Rad zu fahren, hätte ich die Schlammpackung erst einmal entfernen und vor allem hinten die Bremsgummis auswechseln müssen (durch die Tour waren sie endgültig verschlissen). Ich ging lieber mit meinen Freunden bei herrlicher Fernsicht und tropischen Temperaturen von 21 Grad wandern - 18km, mal keine 1000Hm, aber dafür ein kurzer Kletterweg. Daß die Beine sich etwas schwer taten, brauche ich wohl nicht zu erwähnen ...