Erlebt und aufgeschrieben von Zwinki (zwinki2 @ gmx . de)
@(#) May 26 2009, 22:08:12
Einleitung
1.Etappe (21.5.): Dresden - Pirna - Duchcov 162km
2.Etappe (22.5.): Duchcov - Mlada Boleslav 159km
3.Etappe (23.5.): Mlada Boleslav - Swieradow Zdroj 166km
4.Etappe (24.5.): Swieradow Zdroj - Pirna - Dresden 186km
Nachbetrachtung
Die Friedensfahrt gibt es nicht mehr - und damit auch keine begleitende Sporttour für Hobbyfahrer (vgl. z.B. Friedensfahrt 2003 ). Bis sich einige Initiatoren, u.a. Täve Schur und der bekannte Organisator der touristischen Friedensfahrten, Peter Scheunemann, sagten: Da organisieren wir eben selbst eine Hobbytour mit dem Charakter der Friedensfahrt - durch Deutschland, Tschechien und Polen. Meines Wissens fand die erste solche Tour 2008 statt. Näheres wie auch zu weiteren Unternehmungen findet sich unter
Ich rollte mehr oder weniger zufällig 2008 ein halbe Etappe mit und beschloss nach den positiven Berichten meiner alten Radfreunde Mary und Frank, in diesem Jahr alle Etappen mitzufahren, zumal ich sportlich einen "Kick" brauchte, da ich schon letztes Jahr irgendwie langsam geworden war und dieses Jahr viel herumkränkelte. Vor allem war ich langsam am Berg - und diese Tour versprach sehr bergig zu werden. Die Strecke kannte ich größtenteils schon, wusste also, was mich erwartete.
Jeden Tag konnte man eine Extrarunde absolvieren ("Erlebnisrunde", der Name trifft es), und ich nahm mir vor, keine davon auszulassen.
Etwa 70 Teilnehmer fanden sich ein, zwischen vermutlich U30 bis Ü70. Das Leistungsniveau war eindeutig gestiegen - ein Grund mehr, dass ich diesmal in keinem ersten Feld mitmischen konnte. Drei Frauen waren dabei: Mary sowieso, eine gewisse Susi, die sehr stark fuhr, und eine Eike, nach der Mary vergeblich suchte. Bis sich herausstellte, dass Eike ein Mann war.
162km, 2200 Höhenmeter, 22.5 km/h
Am Himmelfahrtstag 2009 bündelte ich Tages- und Gepäckrucksack zusammen, warf sie mir über und schwang mich auf mein neues Rennrad (das ich mir 2008 nach über 10 Jahren Praxis endlich gönnte - ein Patria-Stahlrahmen mit Shimano-105er-10fach-Schaltung, von der ich ganz begeistert bin). Treff war in der Jugendherberge Pirna. Dank Google-Maps fand sich inzwischen rasch der optimale Anweg - bis man dann vor Ort feststellt, dass die Straßen umbenannt wurden (Otto Grotewohl ist nicht mehr in), eine Straße ein Fußweg ist ... aber nach 25km entspannter Fahrt war ich dennoch vor Ort. Die Himmelfahrts-Bierleichen waren noch nicht soweit, und es ging ja auf bergigen Umwegen nach Tschechien, wo an diesem Tag gearbeitet wird.
Drei Bekannte erwartete ich (Mary und Frank sowieso - wir waren insgesamt nur vier Dresdner -, und meinen altgedienten Radkumpel Rolf aus Leipzig), sieben waren es am Treffpunkt. Unter anderem war wieder Edgar aus Berlin dabei, der mit 62 erstmals auf einem Rennrad saß, von Jahr zu Jahr besser fuhr und jetzt mit ca. 70 Jahren mir 56jährigem davonfährt (und auch seine Fahrtechnik deutlich verbesserte!). Oh, da steht mir noch etwas bevor, ich will auch lange fahren.
Eine bunte Truppe stand am Start:
Wobei ich es etwas gewagt finde, wenn eine Sparkasse in Zeiten der Finanzkrise so viel gut genährten Bauch zeigt.
In der Nacht hatte es zweimal gewittert, vormittags schien dann die Sonne. Pünktlich 9:00 Start auf bergiger Strecke durch die Sächsische Schweiz, u.a. über Hohnstein, größtenteils auf einer Route der Heidenauer RTF. Es war schwül, und die Abfahrten waren noch feucht. Ich fuhr ziemlich verhalten und fühlte mich sowieso noch unsicherer als früher, wo ich doch Ende März mit großem Rucksack offenbar in einer Straßenbahnschiene weggerutscht war - Filmriss; nach 36 Stunden aus dem Krankenhaus wegen guter Führung vorzeitig entlassen, weil ich mich weigerte, eine ordentliche Gehirnerschütterung zu entwickeln. Der Helm hatte mich damals gerettet, und so freute ich mich über die Helmpflicht bei unserer Veranstaltung.
Wegen Bauarbeiten musste der 14%er von Krippen nach Kleinhennersdorf genommen werden:
Das Profil war ohnehin schwer, dieser Berg ist immer übel.
Im Bielatal dann das vielleicht bemerkenswerteste Vorkommnis der ganzen Tour: Als ein Fahrer auf der schmalen Straße zwischen Berghang und Fluss nach vorn blickte, sah er plötzlich einen Rehbauch vor seiner Nase. Das liebe Tier hatte offenbar versucht, bergab rennend über die Radfahrer hinweg in die Biela zu springen, und die erforderliche Höhe doch nicht ganz geschafft. Es schepperte, das Reh war weg, übrig blieben zwei Schrammen am Bein und eine verknotete Kette, die wieder entflochten werden konnte.
Rennradfahrer und Tiere sind so ein Thema. Ich hatte vor wenigen Wochen eine Wildente überfahren (fast im Schritttempo, sie rannte plötzlich dennoch zwischen meine Räder). Es gab aber keinen Braten: Sie war auf rätselhafte Weise entfleucht, übrig blieben nur drei weiße Federn. Ein Radfreund killte eine Katze ... doch zu Katzen unten mehr. Mal sehen, was es in Tschechien so für Tiere geben wird.
In Cunnersdorf das erste Buffet, Essen lecker wie immer.
In Petrovice an der Grenze teilte sich die Tour, ich bog mit ab auf die große Runde. Das Wetter war nicht mehr schön, ich fürchtete mich vor Gewitter auf dem kahlen Erzgebirgskamm. Das blieb zum Glück aus, es wurde am späteren Nachmittag sogar wieder sonnig.
Der Anstieg von Petrovice (450m) nach Zinnwald (ca. 900m) ist mühsam, aber die Straßen waren inzwischen wieder besser geworden, und wir hatten auch keinen kalten Gegenwind wie ich einst allein auf dieser Tour. Es ging so, eben immer hoch. Die Höhenmeter addierten sich wie erwartet.
Bei Nove Mesto das zweite Buffet. Einige von uns fuhren von dort schon ab ins Tal, weil es sonst zu schwer würde. Die ersten sollen bereits vor dem Buffet da gewesen sein.
Zu viert fuhren wir weiter bergan und recht flott auf rauer Straße durch teils tundra-artige Landschaft zur Flaje-Talsperre. Danach wurde die Straße besonders glatt. Erst vor reichlich zwei Wochen war ich zufällig diese Runde gefahren, bei toller Sicht. Das großartige Panorama von Kliny aus blieb uns diesmal leider verwehrt - zu dunstig war alles, trotz Sonne. Dafür sind die 9km Abfahrt nach Litvinov immer ein Highlight. Ab dort wellig über Osek nach Duchcov, dem Zielort. Kleine organisatorische Panne: Ich gehörte eigentlich zur Truppe, die in Teplice schlafen sollte, hatte mich aber auf dem Zettel nicht gefunden. Machte nichts, es gab trotzdem Quartier für mich, zusammen mit Elmar aus Schwaben - wir verstanden uns schnell.
Im Zielort Duchcov (ehemals Dux) hatte Casanova bis zu seinem Tod gelebt. Dementsprechend wohnten wir im Hotel Casanova, gab es ein Cafe Casanova am Markt, und geplant war eine Besichtigung des Casanova-Schlosses, die aber platzte (trotz Voranmeldung). Das Essen war wie erhofft gut. Ich kämpfte eigentlich seit vielen Monaten mit Verdauungsproblemen, doch es ging alles gut. Abends noch ein Stadtbummel - zwei typische Gesichter einer Stadt im böhmischen Becken:
Nachts kamen dann heftige Gewitter. Heute waren wir noch trocken geblieben.
159km, 1850 Höhenmeter, 24.4 km/h
Diese Etappe versprach leichter zu werden, nach der ziemlich steilen gestern. Obwohl es anfangs hoch zum Milleschauer (Milesovka, 836m) ging, genauer: vorbei an diesem einzigartigen Kegel, denn hoch kommt man dort nur zu Fuß. Die ersten gut 400 Höhenmeter blieben der längste Anstieg des Tages, und ich schonte meine Kräfte. Mit zu intensiver Belastung stand ich nach wie vor auf Kriegsfuß.
Bei der Abfahrt haben vermutlich zu wenige den Kegel des Milleschauers mit seinen Felswänden unten eines Blicks gewürdigt, fürchte ich. Trotz der Warnung wegen ausgefräster Löcher fuhr man offenbar zügig - und so rauschten nicht wenige am wichtigen Abzweig Richtung Vlatislav vorbei (überhaupt gab es viele Verfahrer, was meist nicht an den ausgeteilten Karten mit eingezeichneter Route lag!). Damit durften sich die Fehlfahrer auf der Quasi-Autobahn E55 vergnügen, anstatt eine der aussichtsreichsten Abfahrten des Mittelgebirges mit ca. 20 Vulkankegeln ringsum genießen zu dürfen:
Wir fuhren dicht an der Hazmburk vorbei (ab Vlatislav endlich mal ein neues Stück für mich :-), einem alleinstehenden Berg mit einer uralten Burg mit zwei Türmen darauf, die man von weither sichtbar sind. Der Blick zurück sah nach Weltuntergang aus und hatte doch einen tollen Reiz:
Flott ging es durch das offene Egertal bis vor Roudnice. Unterwegs traf ich den alten Haudegen Edgar wieder, der mir also mit seinen ca. 70 Lenzen davongefahren war - er hatte sich verfranzt.
An dieser Stelle nochmals ein Lob für das Buffet - das folgende Bild sagt alles:
Vollkornbrot mit Nutella und Banane ist unglaublich lecker nach hinreichend vielen Höhenmetern!
Ich empfahl die Extra-Erlebnisrunde ausdrücklich, die Hälfte kannte ich ja schon als landschaftliches Highlight. Von uns "Hinteren" traf ich leider nur einen Gefährten, der mit mir in Roudnice über die Elbe fuhr und dann aber auf meiner Lieblingsstraße 261 direkt nach Melnik abbog. Ich überholte auf der 269 noch zwei Fahrer, dann war ich allein. Es gab einen mittelschweren Berg bis Tuhan, aber sonst: reiner Genuss, das hatte sich voll gelohnt!
Nach Tuhan auf etwas ruppiger Straße nochmals über einen Berg, dann führte die Route auf der stark befahrenen E9 landschaftlich sehr reizvoll zurück bis an die Elbe. Zuvor bremsten aber drei Baustellenampeln sowie ein heftiger Wolkenbruch, der mich zu einer Zwangspause unter dichte Bäume trieb - man konnte nichts mehr sehen, es war zu gefährlich. Die großen Laster erschreckten mich manchmal. Ich fühlte mich dieses Jahr unsicherer und unaufmerksamer als sonst, was nicht nur am neuen Rad liegen konnte.
In Libechov an der Elbe briet mich aber wieder die Sonne. In Melnik sollte das nächste Buffet stehen. Das ist immer wieder ein kritischer Punkt, wahrscheinlich finden nicht alle die rettende Verpflegungsstelle. "Am Bahnhof links abbiegen" war der einzige Hinweis. Ich kannte mich zum Glück gut aus (erst vorigen August war ich hier im Urlaub), vom großen weißen Auto war dennoch weit und breit nichts zu sehen. Fast hätte ich es verpasst, als ich in das wunderschöne Kokorin-Tal einbog. Hier nur zwei Bilder aus früheren Zeiten:
Wer bei anderer Gelegenheit dort ist, sollte die kleine, sehr originelle Burg Kokorin unbedingt besuchen - liegt direkt am Weg, rennradfähige Anfahrt, sehr lohnend ... aber heute reichte die Zeit nicht dazu, und außerdem war das Wetter nicht stabil, es sah sonnig bis sehr dunkel aus. Eine Front könnte hier gerade durchgezogen sein. Die Straßen waren noch feucht. Ich fühlte mich gut und fuhr recht flott. Dreimal war ich das Tal schon hinab gefahren, aber hochzu war es auch nicht schwer.
Doch ich unterlag dem für Mathematiker so typischen Vorzeichenfehler: Das Gewitter zog nicht ab, es kam. In Raj begann der Anstieg aus dem Tal hoch nach Mseno, wo zu meinem Schrecken quer über die Straße ein Strich "Start" gezogen war. Das bedeutet in Tschechien immer irgendein perverses Bergrennen. Also ging es gleichmäßig steil hoch. Eigentlich geht es ja aufwärts normalerweise der Sonne entgegen, doch diesmal wurde es immer dunkler.
Nach 1km Berg startete der nächste Wolkenbruch, so heftig, dass ich Unterschlupf unter möglichst dichten Bäumen suchte. Es begann ziemlich laut zu knallen. Lieber hier unten am Hang bleiben, jetzt bloß nicht auf freiem Feld fahren.
Nach einiger Zeit erschien Mary mit großer Gefolgschaft und fuhr mit kämpferisch erhobener Faust weiter hoch. Wow, mit allen Regenwassern ist sie ja gewaschen, aber wie steht es um ihre Leitfähigkeit bei Hochspannung? Merke: Wenn zwischen Blitz und Donner nur noch 2 Sekunden vergehen, dann ist der Blitz nicht etwa 2km entfernt, sondern nur noch reichlich 600m, und der nächste könnte in Deiner Nähe einschlagen. Das reicht, denn Spannung ist dann überall so viel, dass man gelähmt mit Atemnot vom Rad fällt - ich habe höchst unangenehme Erfahrungen vom Klettern.
Zwei andere Fahrer warteten mit mir und fanden es schon wegen herabfallender Äste nicht ungefährlich, aber noch ging es (spätestens jetzt wurde die Helmpflicht klar :-). In normalem Regen fuhren wir später hoch, bis wir uns wieder unterstellen mussten, und dann nochmals in Mseno. Dort trafen wir den allbekannten "Professor" (vgl. Berlin-Neapel-Tour auf meiner Homepage), der mit Gefährten in einer Konditorei verschwand. Der war schlauer als wir.
Die letzten 30km bis Mlada Boleslav gerieten zur kleinen Vorhölle für Radfahrer. Das Gewitter hatte die Straßen mit Ästen, Blättern und Steinen übersät, dicke Obstbäume waren massenweise umgeknickt - das mussten Windhosen gewesen sein. Schlamm und Pflanzenreste spritzten von unten, dazu ging es immer wieder lustig bergauf und bergab. Direkt vor der Stadt riskierten wir es, auf der als Route eingetragenen Straße 259 zu bleiben, obwohl dort eine Baustelle den Weg versperrte. Die hatte es in sich. Angesichts zahlloser spitzer Schottersteine war über lange Strecken höchste Vorsicht angesagt, aber wir kamen vorwärts ... bis uns ein Baum den Weg versperrte:
Die Feuerwehr war gerade beim Räumen, was erstaunlich schnell ging. Zum Glück orientierten wir uns richtig, mein ausgedruckter Plan von Mlada Boleslav (der nicht ausgeteilt wurde!) half. Ich fand mein Hotel "Trumpf" sogar auf Anhieb. Das Hotel wurde seinem Namen gerecht. Das Himmelbett, das Elmar und ich uns nun teilen durften, sucht seinesgleichen:
Mit Leder überzogen, mit eingebautem Radio und eingebauten Lampen (aber ohne Strom :-).
Elmar und ich machten noch einen interessanten Stadtbummel. Wir sahen zunächst Soldat Schwejk ein Lokal bewachen:
Es wurden immer mehr bunte Uniformen, bis sich das Ganze am Schloss aufklärte: Historisch kostümierte Leute gingen zu einer Museumsnacht im Schloss ... was genau da passierte, fanden wir nicht heraus. Hier nur noch wenige Eindrücke von der Stadt:
Eigentlich sollten wir das Skoda-Museum besichtigen, doch dazu reichte zumindest Elmar und mir die Zeit nicht. Es war aber auch von außen interessant:
166km, 2850Hm, 21.4 km/h
Die Königsetappe stand an, offiziell 2500Hm mit Extrarunde. Es ging erst einmal hoch zum bekannten Jested (1012m) - für mich neben dem Milleschauer der "magischste Berg" Tschechiens -, dann nochmals über den Jested-Rücken, einmal über das Isergebirge nach Hejnice, wieder zurück über das Isergebirge über Smedava nach Harrachov im Riesengebirge, über den Pass nach Szklarska Poreba in Polen und zum dritten Mal über das (polnische) Isergebirge nach Swieradow Zdroj. Das Wetter war optimal - sonnig und früh kühl genug, warm wurde es später. Der kräftige NW-Wind störte nicht so sehr.
Im herrlichen Isertal fuhr ich bis Cesky Dub im ersten Feld mit und führte sogar die ersten 20km. Es rollte sich wunderbar, die 27.6 km/h Schnitt erschienen mühelos. Zu sehr angestrengt hätte ich mich auch nicht angesichts der Dinge, die da kommen sollten. Alles bestens, nur ... bei einer engen Ortsdurchfahrt sprang plötzlich von links von einer Bretterwand ein Katze direkt vor uns beiden Führenden auf die Fahrbahn und in einem Riesensatz rechts hoch auf die Mauer. Da fehlten noch 2m, wir konnten als Führende schließlich nicht scharf bremsen. Also: In Deutschland gibt es Rehe, in Tschechien Katzen.
In Cesky Dub begann der Anstieg, ich ließ mich zurückfallen und machte erst einmal ein Foto:
Der Jested lag da noch ca. 700m höher als wir - von allen Seiten sieht der Turm toll aus. Beim Anstieg wurde schnell klar, dass wir einen der seltenen Tage mit guter Sicht erwischt hatten:
Die Gärten waren herrlich bunt:
Und überall blühten die Wiesen. Doch vorerst ging es hoch auf den Sattel auf knapp 700m Höhe, in endlosen Kurven auf erstklassiger Straße. Die letzten 300 Höhenmeter sind bekanntlich steiler, am steilsten am Ende (12%), wo die Straße inzwischen auch wieder sehr schlecht geworden war wegen der extremen Verhältnisse im Winter. Nur um davon eine Vorstellung zu geben, hier ein Foto vom Seilbahntunnel im Winter:
Die normalen Eingänge oben sind dann alle unter Metern von Schnee begraben, man gelangt durch eine Wendeltreppe in einem Turm am Parkplatz ins Innere. Wegen der Stürme wachsen oben auch keine Bäume mehr. Aber heute sah es anders aus, und die Blicke waren großartig:
(mehr Blicke kann sich jeder schnell ergoogeln!). Ich war nun zum 6. Mal oben, zum dritten Mal mit dem Rennrad, und irgendwie nervte es dann doch etwas, dass mir ausnahmslos jeder Entgegenkommende am Schlussanstieg sagte: "Nicht mehr weit!" :-)
Ein Glück, dass es oben 11 Grad waren, warme Kleidung hatte viele nicht mit.
Die Abfahrt war ein Traum wie erwartet, bis zum Abzweig nach Krizany, wo die Straße ruppiger wurde. Autsch, das ging aber weit hinab - das dürfen wir doch alles gleich wieder hoch!
Nach dem Buffet noch ein vorerst letzter Blick auf den Berg:
Zu viert, u.a. mit Rolf, fuhren wir teils steiler hinauf und eine tolle Abfahrt durch eine tiefes Tal und dichten Wald hinab nach Chrastava. Der folgende Anstieg über Mnisek nach Raspenava war mühsam, aber nicht zu steil. In Hejnice das letzte Buffet. Wir trafen unseren bekannten Siggi, der etwas abgekürzt hatte - das wollte er zwar eigentlich nicht, darf es aber mit seinen ca. 70 Lenzen und seinen unzähligen Verdiensten, auch bei der Organisation solcher Touren ;-)
Die anderen wollten nun direkt zum Ziel, ich hatte mir die große Runde fest vorgenommen. Zum einen, weil sie schön ist, zum zweiten, weil ich von Harrachov noch nicht nach Szklarska Poreba fuhr, und zum dritten, weil ich sie fahren will, wenn ich sie fahren kann. Also Tschüss.
Ich machte endlich Fotos bei gutem Wetter von der großen Kirche in Hejnice:
Möglichst sachte fuhr ich nun bergan, knapp 600Hm waren es noch bis zum Pass. Es war warm geworden, und die Sonne knallte wie verrückt. Zum Glück verlief der größte Teil der Strecke im Wald.
Unerwartet - ich dachte, ich wäre der Letzte - sah ich vor mir ein Radtrikot von Täves Radladen: Siggi! Ich fragte ihn, was er denn auf der großen Runde wolle. "Wieso große Runde? Ist das nicht die kleine?" Ich war mir nicht sicher, ob er wirklich irrte, denn er frotzelt gern mal. Aber weiter oben erblickte ich plötzlich meine anderen drei Gefährten: "Nun erzählt mir bloß nicht, dass ich die kleine Runde fahre - IHR seid hier nämlich die Geisterfahrer!" Der Schreck war nicht unbeträchtlich.
Was half's, wir warteten oben auf Siggi und beschlossen, zusammen zu bleiben und auch Siggi mitzuziehen. Das konnte ja heiter werden.
Die Abfahrt zum Desna-Stausee ist immer ein Traum, das Wetter war es ebenso. Leider kann man nicht überall anhalten und fotografieren, sonst kommt man nie an. Wie erwartet wurde es dann Richtung Harrachov hart bucklig, die Landschaft änderte sich und wurde steiler - das Riesengebirge begann.
Wir mussten erst hinab und dann auf der E10 relativ flach hoch nach Harrachov. Langsam - es war ja noch weit - fuhren wir weiter hoch zum Pass. Die Sonne knallte nur so. An diesem Tag hatte ich mich wohl verbrannt.
Alle schafften es bis hoch, es ging ja auch gar nicht anders. Eine schöne, steilere Abfahrt nach Szklarska, und der erste Blick auf das Riesengebirge, mit Schnee auf vielleicht 1300m Höhe:
Ich war schon zweimal vom Zielort nach Szklarska gefahren und wusste, dass es jetzt steiler werden würde. Aber wir kamen hoch. Zum ersten Mal hatte ich an der "Todeskurve" klare Sicht. Vermutlich nur von dort aus hat meinen einen wirklichen Blick auf das gesamte Gebirge:
(links die Schneekoppe mit Baude, in der Mitte die Schneegrubenbaude)
(links Schneegrubenbaude, rechts Hala Szrenica = Reifträger)
Den Anstieg überlebten wir, er war viel kürzer als gedacht. Die langgezogene Abfahrt wurde leider durch eine meist sehr ruppige Straße vermiest, wie überhaupt die Straßen in Polen mittlerweile keinen guten Eindruck mehr machten.
Im Zielort Swieradow Zdroj wussten wir nur die Hotelnamen und mussten uns durchfragen. Kein Problem für mich, ich kann ja Polnisch. Da meine Gefährten unser Hotel Magnolia II aber schon vom Vorjahr her kannten, ersparte ich mir das Fragen. Ein großer Fehler. Nach steilem Anstieg kamen wir an Magnolia I heraus. So ist das mit den Zahlen bei Nicht-Mathematikern ;-) Nun fragte ich endlich, und wir kamen recht direkt zum Ziel, wieder mit etwas Berg. Dort wussten meine Gefährten allerdings nicht, ob sie hier oder im Leo wohnen sollten ... nun ja, ICH wohnte im Magnolia.
Mit dem Essen dauerte es etwas, aber es war exzellent. Elmar und ich machten noch einen Stadtbummel, nur ein paar Eindrücke davon:
Das "Tor zum Gebirge" :-)
Meine Beine wurden seltsam druckempfindlich. Und wieder wohnten wir im zweiten Stock. Das hieß Treppen steigen. Das Leben ist eben einfach hart.
186km, 2100 Höhenmeter, 23.5 km/h
Polen ist "slawischer" als Tschechien, dort ist das Frühstück wichtiger als das Abendbrot. Das Frühstücksangebot brach alle Rekorde, die Aufnahme kann weder die Fülle noch die Qualität widerspiegeln:
Peter Scheunemann macht das obligatorische Startfoto:
Die Extrarunde heute deckte sich mit einem Teil der langen Tour der Heidenauer RTF, über Hinterhermsdorf und das Kirnitzschtal. Auch wenn dies nun das dritte Mal hintereinander war, ich wollte mir das nicht entgehen lassen. Treff sollte danach in Hohnstein sein, gemeinsame Fahrt bis Pirna. Ein bisschen zweifelte ich daran, wie das laufen soll, aber wenn alle warten ... ich dachte nicht weiter darüber nach. Auch Elmar wollte die große Runde fahren, er war eigentlich nicht schneller als ich. Fünf Grenzübertritte standen uns bevor, kein Problem mehr seit dem Schengen-Beitritt von Tschechien und Polen.
Aua, die Beine tun aber weh; und warum muss es schon wieder bergauf gehen? Kühl war es, 14 Grad, und bedeckt. Aber das Wetter wurde bald besser:
Und ein letztes Mal grüßte der Jested:
Es dauerte lange, bis ich in Tritt kam, konnte nur schwer mit dieser vielleicht letzten Gruppe mithalten. Wir fuhren durch Frydlant in Tschechien durch. Diese Stadt hinterließ bei mir einst einen überaus schäbigen Eindruck, inzwischen sieht es besser aus. Schließlich wieder hinein nach Polen, durch Bogatynia hindurch, eines der Armenviertel des Landes mit riesigen Tagebauen und dem Monster-Kraftwerk (und Umweltverschmutzer) Turnow. Außen gab es Eigenheime, die besser als in Tschechien aussahen, dann wieder elende Katen. Vor einem Geschäft - es war Sonntag - hockte ein ärmlicher Mann mit abgelegten Beuteln, hatte den Abstreicher herausgenommen und suchte offenbar im Dreck nach Verwertbarem. Das ging an die Nieren. Und die Straße war schlecht.
Eine unzureichend ausgeschilderte Umleitung brachte uns kurz auf einen miesen Sandweg, aber dank freundlicher und kompetenter Auskunft (sogar von Kindern) fanden wir schnell durch. Ein gigantischer Tagebau war wegen des aufgewirbelten Staubs gar nicht richtig zu sehen. Dahinter die Schlote des Kraftwerks.
In Sieniawka verpassten wir kurz den Abwzeig zur Grenze. Ich fragte auf Polnisch und bekam als Antwort: "Hier rechts um die Ecke, soviel weeß ick noch!"
Endlich Zittau. Dank Franks guter Ortskenntnis nahmen wir die richtige Ausfahrt und fanden das Buffet, das uns u.a. mit frischen Erdbeeren und Weintrauben überraschte. Nochmals Dank an dieser Stelle, in unserem Zustand war so etwas eine schwer zu beschreibende Labsal!
Die Lausitz bietet zackige Wellen bis 12%, die taten nun schon anständig weh. Schließlich Seifhennersdorf, nächster Grenzübergang. Mein Sauerstoff saß in den Beinen, das Gehirn war unterversorgt. Frank, Mary und der Rest fuhren geradeaus, ich bog ab nach Varnsdorf in Tschechien, weil ich mich doch so gut auskenne hier.
Aber wir mussten nach Rumburk, ich lag total falsch und hatte nicht auf die Karte geschaut. Das kostete mich den bekannten üblen, langen Extra-Berg nach Studanke hoch und brachte mir dann eine rasende Abfahrt auf der E9 (lange nicht dort gefahren :-) bis nach Rumburk ein. Nun war ich endgültig Letzter.
Bis nach Lobendava, wo auffällig viele Rennräder vor einer Gaststätte herumstanden - aha, das nennt man also Sport treiben ;-) OK, ohne lange Runde wäre auch ich eingekehrt, aber ich war froh, Wasser zu bekommen.
In großer Meute fuhren wir bis nach Sebnitz. Elmar sah ich vorher noch sitzen, der wollte ja auch auf die große Runde ... ich werde also nicht Letzter sein.
Ich zeigte den anderen die Durchfahrt durch Sebnitz - keiner wollte auf die große Runde - und verabschiedete mich.
Der Rest der Strecke war genau wie erwartet: sehr schön, sehr anstrengend, aber noch zu schaffen. Das Kirnitzschtal ein Genuss wie immer:
Die Höhenmeter addierten sich wieder kräftig, und dann noch der letzte steile (aber nicht letzte) Berg:
Endlich, endlich Hohnstein. Jetzt gibts Futter und Wasser!
Aber in Hohnstein, das grünweiße Trikot auf dem Markt ... das war ja gar nicht Mary, das war nur ein Junge im T-Shirt. Eine der beiden vom Veranstalter angegebenen Handynummern ging endlich: "Ja, die Leute waren nicht zu halten, wir sind schon in Pirna!" Ich kam mir vor wie Fritz Wiessner, der 1938 beinahe mit dem K2 den ersten Achttausender in der Menschheitsgeschichte bezwungen hätte und beim Abstieg geräumte Hochlager vorfand, weil man ihn vermisst glaubte.
Bis nach Pirna kam ich noch, man beißt sich eben so durch. Und ich wusste ja, dass mit Abenteuern zu rechnen ist. Obwohl - so etwas ist auch bei dem wirklich sehr niedrigen Preis von 160 Euro schwer nachzusehen.
In Pirna begrüßte mich Peter Scheunemann: "Hurra, Du bist auch noch da!" - "Habt Ihr noch etwas zu trinken oder zu essen für mich?" - "Alles schon weg!" Und weg waren sie. Mein Rucksack war wenigstens da, und u.a. Elmar, der doch nicht die große Runde gefahren war bei dieser Hitze.
Angeblich waren "alle" schon 12.30 in Hohnstein, auch die von der großen Runde. Bis dorthin waren es bei vorgegebener Strecke 150km und 1800Hm, macht einen Schnitt von etwa 37 km/h für diese Cracks - und mit welcher Lizenz fahrt Ihr eigentlich, Ihr Profis? ;-) Wer's glaubt, wird selig. Ich weiß nicht, wer die große Runde gefahren ist, und ob er wirklich von hinten nach Hinterhermsdorf herein kam (die Orientierung war für Unkundige schwierig!), und wann er in Hohnstein war. Aber um die Fahrer geht es hier gar nicht, sondern um die Organisation.
Für mich war die Gegenwart erst einmal wichtiger: Wasser von der Toilette holen, großen Rucksack geschnürt und dank meiner privaten Powerbar-Vorräte noch gut heimgefahren. Normalerweise fahre ich nie 186km, da runde ich auf 200km auf, zumal ich so eine Strecke dieses Jahr erst zweimal fahren konnte. Aber nicht mit 13kg auf dem Buckel. Nach 11 Stunden brutto war ich endlich zu Hause.
Insgesamt fuhr ich mit An- und Rückweg 675km mit etwa 9000 Höhenmetern ... also gut und gern einmal auf den Everest :-) Das war für mich die anstrengendste Friedensfahrt bisher, von der Landschaft her vielleicht sogar die schönste.
Im Vergleich zu früheren Fahrten klappte Vieles diesmal besser, vor allem waren die Unterkünfte gut. Die Routenführung war exzellent. Allen, die daran mitgearbeitet haben, großen Dank! Abenteuer sind immer dabei, diesmal eben das Unwetter. Die Mitfahrer waren wie immer nett, es war ein Riesenerlebnis. Unglaublich, wie viele Eindrücke man in 4 Tagen sammeln kann. Was sagten Sie - 4 Tage? Oder meinten Sie 14?
Und noch etwas hatte sich gebessert: Die berüchtigten Scheunemann-Kilometer (z.B. ungeplante 20km extra am Ende) gehören dank Internet-Routenfindung offenbar der Vergangenheit an. Höhenmeter wurden es mehr, aber das verwundert nicht: Ich bezweifele, ob die zahllosen Wellen etwa in der Lausitz alle kartografisch so genau erfasst sind.
Die Karten von der o.g. ITF-Homepage sollten wir uns farbig ausdrucken - machte ich. Natürlich hatten sich die Routen bis zum Start schon wieder geändert, sogar die Zielorte ... nicht allzu ungewöhnlich, vgl. meine früheren Berichte ... dafür wurden die geänderten Karten täglich ausgeteilt. Doch das Finden des Hotels war immer ein Problem, hier ist Besserung versprochen - auch dank Internet. Ich möchte daran glauben.
Problematisch bleibt immer der Standort des Buffets. Das ist schon übel, wenn man "in der Prärie" hängt und es verpasst. Auch die Ortsdurchfahrten brauchten in einigen Fällen (Zittau, Sebnitz, Swieradow Zdroj) unbedingt mehr Unterstützung, und wenn es ein paar Text-Hinweise auf den Plänen sind.
Der dicke Hund war für mich das Ende in Pirna, so etwas ist mir bisher kaum passiert. Klar kann man immer improvisieren, und ich als Misstrauischer und ITF-Erfahrener hatte meine Reserven dabei. Unter anderem deswegen fuhr ich auch mit Rucksack. Aber man kann seine Leute doch nicht so sitzen lassen: Was wäre gewesen, hätte ich eine Panne oder gar einen Unfall gehabt?
Und sooo langsam war ich nun auch nicht: 23.5 Schnitt auf 2000Hm über 166km am vierten Tag - ist das gebummelt? Ich weiß inzwischen, dass nicht alle einverstanden waren, in Hohnstein so zeitig weiterzufahren. Kann gut sein, dass nicht etwa "die Leute", sondern die Organisatoren nicht mehr zu halten waren ...
Das trübt den Gesamteindruck leider doch, denn es war der letzte Eindruck. Also in Zukunft bitte: Kein Treffen nach einer Extrarunde mehr, und wenn man am letzten Tag noch solche tollen Touren anbietet (wofür ich sehr bin!), dann wird der Tag eben auch für die Veranstalter lang. Fragt mal Mary und Frank, wie es ihnen jedes Jahr bei der Heidenauer RTF ergeht, die sie mit 900 Teilnehmern fast zu zweit organisieren ...